Der Titel weckt Assoziationen zu Michael Endes Stundenblumen im Märchenroman Momo, aber Julie Morstads poetisch-philosophisches Bilderbuch kommt ohne erzählerische Handlung aus. Eher mäandert es auf vielfältig-eindrückliche Weise durch die Facetten des Phänomens Zeit. Das geschieht mal gereimt, mal ungereimt, mal lautmalerisch oder als Bildgeschichte bzw. Frage-Antwort-Spiel, wobei die Fragen z. T. im Bild beantwortet werden oder dazu einladen, eigene Antworten zu finden. Stets sind Morstads sprachliche und visuelle Bilder für die sinnliche Erfahrbarkeit von Zeit bzw. ihr Vergehen an kindliches Erleben gebunden: „Zeit ist, wie deine Haare wachsen: lang, länger und länger… SCHNIPP-SCHNAPP! Die Zeit fällt hinab.“ Selten geht es Morstad um ein einfaches Vor- und Nachher. Vielmehr betont sie die individuelle Zeiterfahrung und das Prozesshafte, wie es sich im Wachsen einer Pflanze oder im Werden von Dingen ausdrückt. Ein erzählendes Ich tritt erst am Ende in Erscheinung: Was Zeit eigentlich ist? „Ich weiß es nicht, aber es ist Zeit zum Abendessen.“ Hier wird die Doppeldeutigkeit des Begriffes zwischen Alltagsgebrauch und philosophischer Dimension lakonisch-augenzwinkernd auf den Punkt gebracht. Die Vielfalt der sprachlichen und bildlichen Darstellung findet ihre Entsprechung in den verwendeten künstlerischen Techniken: Die unter Einsatz von Bunt-, Faserstift, Tusche, Pastellkreide, Aquarell- oder Wasserfarbe entstandenen Illustrationen umfassen auch Collagen und gedruckte Bildanteile und wurden am Computer bearbeitet. Dass dabei nicht alle Schlaglichter die Natur der Zeit gleich erhellen, schmälert das Vergnügen an diesem Bilderbuch kaum.
Breit einsetzbar in Kindergarten, Grundschule oder Literaturveranstaltung, um naturwissenschaftliche Aspekte (Entstehen von Tag und Nacht, Jahreszeiten, Entwicklung von Lebewesen) zu thematisieren, kann Zeit ist eine Blume auch zu eigenen Zeit-Texten, z. B. Haikus, oder Zeit-Bildern inspirieren.
Als sinnlicher Einstieg wäre kaum noch bekanntes Uhrenticken oder das Klicken eines Metronoms denkbar. Persönliche Zeiterfahrung könnte mittels einer Sand- oder Stoppuhr verdeutlicht werden (eine Minute Stillsitzen im Vergleich zu einer Minute Bewegung). Für ein Zeitprojekt ließen sich weitere Bücher und Geschichten hinzuziehen, neben Ausschnitten aus Momo etwa Antje Damms Alle Zeit der Welt, Bernadette Gervais’ Von Zeit zu Zeit, Dann gehe ich jetzt, sagte die Zeit von Bettina Obrecht und Julie Völk, Tick, tick, die Uhr aus Åsa Linds Alles von Zackarina und dem Sandwolf oder Alain Serres’ und Oliver Tallecs Jetzt!