Im renommierten Kunstverlag Prestel erschienen 2011/2012 vier Kunst-Comics, in deren Mittelpunkt Leben und Werk eines Künstlers stehen. Die Reihe startete mit Albrecht Dürer und Vincent Van Gogh, beide illustriert von Barbara Yelin. Es folgten Claude Monet (Ill. v. Matthias Lehmann) und Gustav Klimt (Ill. v. Vitali P. Konstantinov). Alle Texte verfasste Mona Horncastle, selbst erfahrene Verlegerin von Kunstmedien für Kinder.
Berühmte Künstler zu Comic-Helden zu machen, mag befremden, jedoch baut dieses Konzept darauf, dass Comics als Vermittler von Literatur und Sachthemen selbst „leseskeptische“ Kinder erreichen. Die realen historischen „Supermen“ verkörpern einen Figurentypus, der Kindern bekannt ist –, hier jedoch mit Superkräften wie Talent und Kreativität ausgestattet.
Die Aufmacher-Bände stellen Künstler vor, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Albrecht Dürer – Renaissance-Star, selbstbewusst, erfolgreich, weltgewandt, dagegen Vincent Van Gogh – verkannter Impressionist, introvertiert, einsam. Heute sind beide „Aushängeschilder“ ihrer Kunstepochen. Beide Comics sind nach dem gleichen Prinzip aufgebaut: Nach kurzer Einführung verweben sich Hintergründe zur Entstehung ausgewählter Werke mit Lebensdaten und historisch-gesellschaftlichen Fakten auf überzeugende Weise. Die Comic-Teile werden von Abbildungen der „Originale“ unterbrochen und mit fundierten, gut verständlichen Texten bereichert. Ein Wermutstropfen: Die Lautsprache des Comics mit Ausrufen wie „Bingo!“ oder „Uff!“ lesernah in die Sachtexte zu integrieren, wirkt völlig unmotiviert anbiedernd.
Glücklicherweise wurde im Van Gogh-Band darauf verzichtet. Hier erfreuen besonders die Brief-Zitate Vincents an den Bruder. Überhaupt überzeugt in diesem Band die sensible Darstellung eines Menschen, der an sich selbst, den Erwartungen an ihn bzw. dem gesellschaftlichen Druck zerbricht. Schon für Kinder wird hier etwas von der Tragik eines großen Künstlers, der ein unsterbliches Werk schuf, aber seiner Zeit voraus war, nachempfindbar.
Am Ende fasst die Autorin die Lebenswege noch einmal zusammen, auch Zeitgenossen kommen zu Wort. Eine kleine Werkgalerie und ein knappes Glossar beschließen die Bände.
Die in Berlin lebende Illustratorin und Comiczeichnerin Barbara Yelin nutzt ihr Medium ausgesprochen gekonnt: sie verbindet lockere Buntstiftzeichnungen mit sequenziellem Erzählen, starken Perspektivwechseln und Simultandarstellungen. Besonders im Van Gogh-Band harmonieren Zeichnungen und Farbigkeit mit dem Werk des Künstlers. Das Layout ist abwechslungsreich, aber nicht beliebig. Um z. B. die Zusammengehörigkeit von ganzseitigen Gemälden, Sachtextblöcken und Comic-Panels deutlich zu machen, sind alle jeweils mit einem schwarzen Buntstiftrand umrahmt. Einen Eindruck davon, wie Horncastle und Yelin zusammengearbeitet haben, sieht man im Internet unter: https://www.randomhouse.de/ webarticle/webarticle.jsp?aid=31865. Fazit: sehr empfehlenswerte Bücher für Comic- und Kunstfreunde!
(Der Rote Elefant 30, 2012)