„Einer ist groß, eine ist klein, und du darfst rein!“ Ja – „rein“! Abzähl- oder Auszählreime kennt wohl jedes Kind, doch diesem Bilderbuch liegt als Text ein „Einzählreim“ zugrunde. Mit einem solchen eröffnete der verstorbene österreichische Kinder- und Jugendbuchautor Ernst A. Ekker für gewöhnlich seine Lesungen. Ihm ist das Buch von Janisch und Bansch gewidmet. „Ob krank oder gesund, ob eckig oder rund, ob von dort oder da, ob von fern oder nah, ob groß oder klein, bei uns bleibt keiner allein – jeder darf rein!“ Hier wird Vielfalt propagiert und Zusammengehörigkeit – trotz und gerade wegen aller Unterschiedlichkeit. Äußeres Erscheinungsbild, Stimmung, Herkunft, Ansicht oder Verhalten mögen noch so verschieden sein – jeder ist willkommen.
Helga Bansch greift die benannten Gegensätze auf und gestaltet mit Collagen und Zeichnungen ein phantastisches Figurenensemble u. a. mit Fuchs und Gans, Maus und Elefant, Königin und Seiltänzerin, Huhn und Ei … Zehn Doppelseiten zeigen zehn eigenständige Situationen und damit zehn Geschichten voller Fragen: Wohin fährt das Pferd im Ballon? Erinnert die Maus mit rotem Käppi und gefülltem Korb nicht an eine wohlbekannte Märchenfigur? Das Spiel mit den Zahlen Eins bis Zehn ist ebenfalls Bestandteil der Illustration: vier Frauen halten einen musizierenden Fisch, fünf Pinguine watscheln eine Gangway hinab, sechs Geier beäugen gierig süße Leckereien usw. Immer eine der beiden Hauptfiguren taucht als zarte, piktogrammartige Bleistiftzeichnung im oberen Bildrand auf, bis es letztlich zehn sind. Irgendwie scheinen Geschichten und Figuren miteinander verbunden. Und das sind sie auch, denn Bansch schafft einen zeichnerischen Rahmen. Das erste, textlose Bild zeigt einen fröstelnden, gebeugten, verloren wirkenden Marabu an einem Kai. Ein schwarzer Koffer steht neben seinen dünnen, nackten Beinen. Ein Einsamer, ein Ausgestoßener vielleicht. Eine Leiter gerät ins Blickfeld, über die am Ende des Buches all diejenigen gegangen sein werden, die auf den zehn Doppelseiten agierten. An Bord eines Schiffes treffen alle aufeinander – ein buntes Völkchen, das sich versteht und in dessen Gemeinschaft auch für den Marabu noch Platz ist. Freundlich winkt man ihn an Bord.
Damit der Einzählreim auch kein Fremder bleibt – sorgt er doch für mehr Vielfalt in unserer Sprachspielwelt – kann das Prinzip des Gedichts mit Kindern fortgeführt werden. Nach der Suche adjektivischer Gegensatzpaare (schwarz – weiß, süß – sauer usw.) werden zusätzliche Strophen gedichtet – bis auch wirklich alle Kinder eingezählt sind, reicht doch das Gedicht von Heinz Janisch nur für zehn von ihnen aus.
(Der Rote Elefant 28, 2010)