Der Bär findet im Wald drei leckere Pilze, die er zu seinem Mitbewohner, dem Wiesel, mit nach Hause bringt. Hocherfreut holt dieser sofort die schwere Pfanne herbei, würzt die Pilze kräftig und brät sie. Beide nehmen am vom Bär schön gedeckten Tisch Platz. Der Bär teilt aus: „Ein Pilz für dich und ein Pilz für mich … Und noch ein Pilz für mich. So ist es gerecht. …“ Ist es das wirklich? Argumentativ versucht jeder den anderen davon zu überzeugen, dass er einen Pilz mehr beansprucht. „‚Ich habe sie gefunden!‘ ,Ich habe sie zubereitet!‘, … aber nach meinem Rezept!‘ ,Ich esse Pilze lieber!‘ ,Ich bin größer!‘ ,Ich muss noch wachsen!‘ …“ Das gemütliche Abendessen droht zu eskalieren. Der Fuchs, der sich unbemerkt an die Streitenden herangeschlichen hat, schnappt sich einen Pilz und verspeist ihn mit Genuss vor deren Augen. Voller Entsetzen rufen die Freunde ihm hinterher: „Voll ungerecht! … Der hat einfach unseren Pilz geklaut!“ An der Situation lässt sich nichts mehr ändern. Bär und Wiesel kehren an den Abendbrottisch zurück und verspeisen genüsslich jeder einen Pilz. Zum Nachtisch präsentiert das Wiesel dem Bären Walderdbeeren, dessen Leib- und Magenspeise, aber: Es sind drei Früchte …
Der Autor und Illustrator Jörg Mühle spielt in vorliegendem Bilderbuch eine schon Kindergartenkindern vertraute Konfliktsituation durch. Bereits mit dem Buchtitel Zwei für mich, einer für dich benennt er den Streitanlass der Geschichte, (ent)führt aber vorerst auf dem Innendeckel den Betrachter an einen friedlichen Ort: eine Waldlichtung mit mehr oder weniger emsigen Bewohnern, die alltäglichen Beschäftigungen nachgehen. Auch die doppelseitigen in warmen Herbsttönen gehaltenen Eingangszeichnungen schaffen eine harmonisch-vertrauensvolle Atmosphäre. Auf jeder Buchseite sind wiederkehrende Details zu entdecken. Im Laufe der sich zuspitzenden Situation jedoch rücken die Streitenden immer mehr in den Vordergrund und lösen sich aus der Waldidylle.
Die durchgängig direkt in die Zeichnungen gesetzte Schrift erscheint mit zunehmendem Streit unruhiger und präsenter. Somit ergänzen Text und Bild einander, wobei die Sprechweise der vermenschlichten Tiere kindlichen Alltagserfahrungen entspricht: „Dann bist du aber nicht mehr mein Freund.“ Das offene Ende, das den von außen gelösten Konflikt erneut aufnimmt, könnte im Rahmen einer Buchvorstellung als Ausgangspunkt dienen, darüber nachzudenken, ob der Konflikt auch zwischen Bär und Wiesel gelöst werden könnte, vielleicht in einer „Konfliktberatungsstelle“?
(Der Rote Elefant 36, 2018)