„Krähe und ich sind jetzt erst mal weg. Krähe will seine Familie finden. Wir reisen per Anhalter “. Diese Nachricht hinterlässt Ebba den Eltern, um ihrem besten Freund Krähe bei der Suche nach dessen Eltern zu helfen, die er in früher Kindheit verlor. Er vermutet sie an der schwedisch-norwegischen Grenze und so brechen beide zu einer Abenteuerreise durch den schwedischen Sommer auf: Ebba in Lackschuhen und mit einem knittrigen Familienfoto in der Hippietasche. Sie trampen und werden u. a. von einem frommen Lastwagenfahrer mitgenommen, fahren mit einem französischen Touristen auf einer Draisine durch Värmlands Wälder, machen eine Floßfahrt nach Karlstad und prellen die Zeche in einem Luxushotel. Da Krähe ein draufgängerischer Reisegefährte ist, bringt dessen Art beide oft in kritische Situationen. Als Ebba dabei einmal verlorengeht, ist sie gezwungen, über den Freund, dessen Wesen und Bedürfnisse, aber auch über sich nachzudenken: über ihre Eifersucht und die Angst vor Abschied. Bei Ebbas Rückkehr riecht es nach ihrem Lieblingsessen Zitronensuppe und alles fühlt sich „neu an“ …
Frida Nilssons Bücher sind auf dem deutschen Kinderbuchmarkt seit langem beliebt. Häufig arbeitet die Schwedin darin mit fantastischen Zuspitzungen, die ihr viel Handlungsspielraum bieten, aber auch wirkungsästhetische Möglichkeiten. Wie in Ich, Gorilla und der Affenstern (DJLP-Nominierung 2011, RE 29) sind auch im Debüt von 2004 Sommer mit Krähe, erst jetzt auf Deutsch erschienen, Mensch und Tier ebenbürtige Wesen. Da diese „art“gemäß sehr verschieden sind, begünstigt dies originelle Charakteristiken und Situationskomik. Krähe ist flatterig und flauschig, komisch und kindisch, was Kinder aus realer Anschauung kennen und Lesevergnügen bereiten wird. Dagegen birgt Krähes Suche nach einem Zuhause und die ambivalent gestaltete Freundschaft, worin die Ich-Erzählerin schwer loslassen kann, herzerwärmende Momente, Freude und Trauer. Letztlich scheint egal, wer Mensch, wer Tier ist, aber über die fantastische Figurenkonstellation drängen sich Perspektivwechsel in- und außerhalb des Textes geradezu auf.
Anke Kuhls Vignetten und Federzeichnungen unterstreichen und ergänzen Nilssons Erzählstil, von Friederike Buchinger mit viel Sprachgefühl für Wortspielereien und witzige Dialoge übersetzt, auf überzeugende Weise. Darin vermittelt sie ebenso Krähes schrägen Charakter wie Ebbas Sensibilität.
Zum Einstieg böte sich an, Lesestellen auszuwählen, in denen nicht klar ist, ob Krähe ein Tier oder ein Junge ist, um die Charaktere der Figuren und ihre Beziehung zu beschreiben.
(Der Rote Elefant 40, 2022)