Fast täglich kommt Vater Maus mit einer Überraschung nach Hause, aber Tochter Mina beachtet diese kaum. Stets mit der Nase im Buch, lebt sie in ihrer eigenen Welt und verlässt den gemütlich eingerichteten Baumstumpf ungern. Als der Vater eine „wirklich große Überraschung“ ankündigt, wird Mina skeptisch, weiß sie doch, dass Vaters „Fundstücke“ mitunter lebendig und somit anstrengend sein können. Das mitgebrachte Tier ist größer als Mäuse und hat einen langen, flauschigen Schwanz, laut Vater ein Eichhörnchen. Mina bezweifelt, „dass das ein Eichhörnchen ist“. Sie lässt den Vater zwar einen Pullover für den Gast stricken und Ausritte auf dessen Rücken planen, bleibt aber misstrauisch. Vater Maus sorgt sich vielmehr um verweigerte Nahrung (Eicheln) und holt zwei Artgenossen für den mutmaßlich einsamen Gast ins Haus. Doch auch diese verschmähen die Kost. Ein Arzt muss her! Dr. Maus stellt fest: „Das Problem ist, dass diese Eichhörnchen eindeutig Katzen sind.“ Darauf folgt eine wilde Katz-und-Maus-Jagd durch den Wald, wobei die Mäuse-Rettung, soviel sei verraten, nur mit vereinten Kräften und dank früherer Überraschungsgäste gelingt …
Nach „Pokko und die Trommel“ präsentiert Forsythe hier sein zweites Bilderbuch, worin einige Figuren erneut auftreten. Auch in „Mina“ resultiert die humorvoll-hintergründige Wirkung aus der Differenz zwischen auktorial erzähltem, knappem Text samt kurzer Dialoge und detailreich gestalteten Einzel- und Doppelseiten, welche den Text ergänzen oder unterwandern. So wird z. B. sofort klar, was das „Eichhörnchen“ für ein Tier ist. Forsythe setzt seine mit wenigen Strichen (Mäuse) oder großflächig (Katzen) charakterisierten Figuren in einen farbenintensiv aquarellierten und abstrahierten (Kulissen-)Wald, worin der Umgang mit Farben, Perspektiven, Licht und Schatten beeindruckt.
Für letzteres kommt Forsythe die Erfahrung als „Character Designer“ für Animationsfilme zu Gute. Diese zeigt sich auch im akzentuierten Wechsel zwischen Innen-Szenen, welche den Alltag der Kleinfamilie und die liebevolle Vater-Tochter-Beziehung spiegeln, und der Außen-Dynamik samt überraschender Wendungen. Ein besonderes (Vor-)Lese- und Schauvergnügen bietet Dr. Maus. Gestaltet als Dr. Watson mit Lupe und Holzbein, ist die Lupe bei der „Eichhörnchen“-Untersuchung überaus dringlich, das Holzbein während der Verfolgungsjagd jedoch etwas hinderlich …
Zum Einstieg könnten einige Bilder ohne den Text betrachtet werden. Wer lebt hier wo? Wie wirken die Figuren? Und was und warum bringt Vater Maus immer etwas mit nach Hause?
(Der Rote Elefant 40, 2022)