Jeder kennt Schulhöfe mit vorgezeichneten Hüpfkästchen, Metall-Klettergerüsten und zu kleinen Fußballtoren. Neben so einem Schulhof liegt die Grube. Laut Bilderbuchfiguren kann diese alles sein: Bärenhöhle, Feuerkrater, Kiosk oder Geheimversteck … In jeder Pause zieht es die Kinder dorthin, notfalls springen sie aus dem Fenster. Die Erwachsenen halten dagegen: zu gefährlich und unkontrollierbar! Als ein Kind im Schulhaus über seinen Schnürsenkel stolpert und sich eine blutige Nase holt, reicht das für ein Gruben-Verbot. Doch ödes Schaukeln und Kicken mit laschen Bällen ist für die Kinder keine Option. Also zurück, wenigstens zum Grubenrand, um herumzustochern, sich abzuseilen oder die Beine baumeln zu lassen … Bleibt den Erwachsenen nur „Zuschütten der Grube“, kann man doch auf der grauen Fläche ausschließlich „geradeaus gehen“. Stimmt aber nur auf den ersten (Erwachsenen-)Blick. Am Rand der Fläche entdecken die Kinder etwas, was noch lustiger ist als die Grube: einen „Haufen“.
Emma Adbåges für den DJLP nominierte Bilderbuch führt in bester schwedischer Tradition Astrid Lindgrens Credo fort: eine glückliche Kindheit brauche nur zwei Dinge, Freiheit und Geborgenheit! Überdies erinnern Adbåges renitente Kinderfiguren und schräge Perspektiven an Bilderbücher ihrer Kollegin Pija Lindenbaum (u. a. „Franziska und die Wölfe“). Adbåges Plädoyer für das Recht der Kinder auf Freiräume, worin sie ihre Fantasie ausleben und Geheimnisse haben dürfen, ist konsequent aus kindlicher Wir-Perspektive erzählt. Dass die Trotz-Reaktionen der Erwachsenen nahe am eigenen verdrängten Kind sind und sie letztlich daran scheitern, zielt auch auf erwachsene Vorleser*innen.
Adbåges Doppeladressierung und Empathie für die Kinder zeigt sich bereits auf dem Cover. Die Grube erscheint darauf als von den Kindern beherrschter, fast entgrenzter Raum, an dessen Rand nur Anschnitte von (Erwachsenen-)Beinen auftauchen. Insgesamt spiegeln gerade Linien und rechteckige Flächen das Schulumfeld der Kinder, deren Gruben-Aktivitäten ein Linienkuddelmuddel. An beiden Orten jedoch leuchten gelbe Shirts oder rote Hosen aus den lehmfarbig aquarellierten Doppelseiten hervor, fokussieren den Blick und bringen Leben ins unifarbene Gesamtbild.
Zum Einstieg könnten Kinder erzählen, was sie spielen würden, wäre kein Spielzeug da. Oder, ganz praktisch: Rausgehen, in Ruhe lassen und schauen, was passiert!
(Der Rote Elefant 40, 2022)