Gestern ist Bosco Rübe 3 Jahre alt geworden. Noch ganz beseelt von der Feier mit Kuchen, Konfetti, Oma Tiktak und natürlich der ganzen Rübenfamilie startet er ins neue Lebensjahr. Es gilt, ein ganzes Jahr mit Abenteuern und Spielen zu füllen bis Bosco endlich 4 wird. Auf diesem Weg ist er mal ein Adlerhahn, der eine „Esspitation“ zum Mond macht oder eine Ente, die sich in Matsch wälzt. Bosco entdeckt die weltbeste Süßigkeit, den „Kletterbrokant“, nimmt an der jährlichen Brotschmierweltmeisterschaft teil und begeht im Sommer den Tag der Sonne mit dem großen Wasserschlachten und einer Opfergabe an die Götter der nassen Unterwäsche. Immer dabei: Ökkel, der beste Freund aus Stoff und Fell mit dem wuscheligen Knotenkopf. Und natürlich die Rübenfamilie, die bunter und herzlicher nicht sein könnte.
In bester Bullerbü-Manier feiern Dita Zipfel und Finn-Ole Heinrich mit ihrem Vorlesebuch ein Kindheitsbild voller Spiel, Erkundungen und Entdeckungen. Dabei lässt die geduldige Familie den lebhaften Jungen, der mit dem vollen Eigensinn eines Kindergartenkindes agiert, stets gewähren. Und so kann Bosco buchstäblich durch sein 4. Lebensjahr rasen – zu Fuß oder im Lastenfahrrad, herrlich laut, trotzig und intensiv.
„Bosco Rübe rast durchs Jahr“ plädiert in Aufbau, Sprache und nicht zuletzt mittels der konsequent eingehaltenen Perspektive des Dreijährigen für eine Entpädagogisierung von Kindheit. Es steht damit an der Seite vieler Bilder- und Kinderbücher, welche Überbehütung durch Erwachsene kritisch thematisieren. Dabei unterwandern dem Kindermund abgelauschte Wortschöpfungen und nicht zuletzt Boscos Nachfragen, z. B. über den Sinn von Fenstern in U-Bahnen, feste Denkmuster in Erwachsenenköpfen. Vorlesende und Zuhörende werden gar nicht anders können, als auf diese Gedankenspiele einzusteigen. Tine Schulzes comicnahe, kräftig schwarz konturierte Illustrationen in Hellblau, Dunkelgrün und wenig Gelb nehmen die anarchischen Eskapaden des Helden durch eine entsprechende Körpersprache auf. Noch stärker spiegelt Boscos Mimik, insbesondere die großen, häufig aufgerissenen Augen, Neugier auf alles. Aber auch dessen Tageseindrücke verarbeitende, überbordende Fantasie samt Ängsten setzt Schulze in Gestalt von Schatten atmosphärisch raumgreifend ins Bild.
Ein erster Zugang zum Buch könnte deshalb über die Illustrationen erfolgen. Da Kuscheltier Ökkel überall dabei ist, böte es sich als Entdeckungsmedium an. Wie Ökkel durch Boscos Spielwelten kullert, fällt und baumelt, gibt einiges darüber preis, wie Bosco durchs Jahr rast.