Eine verschmutzte gelbe Rettungsweste treibt neben Plastikflaschen auf dunkler Wasseroberfläche. Unzählige weiße Zelte spicken eine karg wirkende Landzunge. Zwei Mädchen halten sich lächelnd an den Händen. Mit drei Farbfotos von insgesamt 53 führt die Fotografin und Nothelferin Alea Horst in ihre Dokumentation über „Europas vergessene Kinder“ ein. Geflohen sind diese u. a. aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und dem Kongo. Gestrandet auf der griechischen Insel Lesbos leben sie in den Lagern Moria (bis 2020) und Kara Tepe. Zeitweise hausten 20 000 Menschen in diesen überfüllten Camps, fast die Hälfte von ihnen Kinder. 22 von ihnen hat Alea Horst mehrfach interviewt und fotografiert. Freundlich und offen blicken die jungen Menschen in die Kamera, in beengenden Zelten sitzend oder vor Containern und Baracken stehend, womit Horst auf unaufdringliche Weise vermittelt, wie sie leben. Begleitet werden die Fotos von Interviewausschnitten der Kinder, in denen sie in einfachen, stark berührenden Worten offenbaren, wer sie sind, was sie an Schrecken erfuhren und worauf sie hoffen. Über die Texte erfahrbar werden die traurigen Gründe, die zum Verlassen der Heimat zwangen, traumatische Fluchterlebnisse auf dem Weg nach Europa, das unwürdige Leben im Camp, die Sorge um die Eltern, das lange Warten auf Bewilligung der Asylanträge. Für die Zukunft wünschen sich die Kinder nur ein Zuhause mit Sicherheit für die Familie, Bildung, gesundes Essen, medizinische Versorgung … Fotos und Texte werden durch schwarz-gelbe Vignetten des aus dem Iran stammenden Künstlers Mehrdad Zaeri ergänzt, worin er die Kinderwünsche knapp visualisiert: ein Reisepass, eine Malpalette, ein Regenschirm … Wer genau hinsieht, entdeckt in jeder Vignette ein Haus. Korrespondierend zum Buchtitel (Zitat eines Kindes) nimmt Zaeri das „Haus“ somit nicht nur auf dem Cover, wo es wie von Kinderhand aufgemalt wirkt, sondern durchgängig als Sehnsuchtsmotiv auf.
Das Buch über „Europas vergessene Kinder“ macht Menschen verschiedener Altersgruppen und Herkunft Angebote, um über Flucht, Krieg und Kinderrechte zu sprechen.
Zum Einstieg wäre eine Beschäftigung mit den Vignetten sinnstiftend. So könnte sowohl Neugier auf die Porträtierten geweckt als auch Gemeinsames entdeckt werden (Bedürfnisse, Interessen, Zukunftswünsche). Auch das Haus-Symbol käme zur Sprache. Zur Vertiefung dienten später Selbstaussagen der Kinder und Panoramafotos über die Camp-Zustände, so dass dafür sensibilisiert würde, was es bedeutet, geflüchtet zu sein, welche Missstände in den Lagern herrschen und wie dort täglich Menschenrechte verletzt werden.
(Der Rote Elefant 40, 2022)