Ein kleiner Junge ist aus dem Schlaf hochgeschreckt, vor dem Fenster gehen Blitze nieder, das Zimmer ist in ein fahles Licht getaucht und die Gitterstruktur der Schatten von Fenster und Bettgestell halten das Kind wie gefangen. Der Text: „Eines Nachts weckte mich ein fürchterlicher Lärm.“ Am nächsten Morgen ist der Vater des Jungen verschwunden, die Mutter sitzt reglos am Frühstückstisch. Der Ich-Erzähler ist ratlos. Dann bekommt der Junge den Auftrag, seiner kranken Oma einen Kuchen zu bringen.
Mit dem Rotkäppchen-Motiv beginnt seine Wanderung durch einen entlaubten, unwirklich anmutenden Wald, in dem ihm verschiedene Personen aus Märchen begegnen. Auch kann man bei genauem Hinsehen noch andere Märchenelemente zwischen den Bäumen entdecken. Die Illustrationen wechseln hier von farbigen zu reinen Bleistiftzeichnungen, in denen nur noch der Junge als farbiges Element heraussticht. Zum Schluss trifft der Junge seinen Vater im Haus der kranken Oma wieder.
Anthony Browne lässt in dieser verrätselten Geschichte mit seinen assoziativen Bildern viel Platz für Interpretation. Geht es in der Geschichte um die kindliche Verarbeitung eines Elternkonfliktes? Spielt sich alles nur im Kopf des Junge ab, oder gibt es eine reale Ebene? Es ist diese Offenheit, die den Reiz des Buches ausmacht und den Leser zu eigenen Geschichten anregt.
Die zu entdeckenden Märchenelemente im Wald können Ausgangspunkt für eine Kettengeschichte der Kinder sein. Wer etwas Ungewöhnliches zwischen den Bäumen entdeckt, fängt an, dazu eine Geschichte zu erfinden. Der nächste Entdecker spinnt die Geschichte mit dem neuen Märchenelement fort. Anschließend könnten in einer buchübergreifenden Kettengeschichte Märchen, die eindeutig einem bestimmten Element zuzuordnen sind, vorgelesen werden. Und abschließend die Frage: „Was haben die Märchenmotive mit dem Verschwinden des Vaters zu tun?“
(Der Rote Elefant 23, 2005)