Die überängstliche Elise ist am liebsten im Haus. Ab und zu aber braucht auch Elise frische Luft und deshalb geschieht das Unglaubliche: Durch das geöffnete Fenster fliegt ein höchst seltsames Ding hinein und landet auf dem Dielenboden. „Das darf hier auf keinen Fall bleiben!“, bestimmt Elise und verbrennt es im Ofen. Darauf verfolgen unzählige „unglaubliche Dinger“ Elise im Traum und steigern ihre Ängste ins Unermessliche. Als es morgens an der Tür klopft, an die niemals jemand klopft, öffnet Elise zögerlich. In der Schürzenträgerin alltägliches Grau tritt ein in Rot und Gelb gekleideter Basecap-Träger von etwa vier Jahren, fragt nach seinem Papierflieger und muss dringend aufs Klo. Es kommt, wie es kommen muss: Der Junge bleibt, sieht sich um, erfährt dies und das aus Elises Jugend und verführt sie zu fröhlichem Versteckspiel zwischen Schrank und Tisch. Angesichts vieler Bücher bittet er Elise, ihm ein Märchen vorzulesen, verspeist eine Butterstulle und vergisst seinen Flieger. Nicht so Elise, die abends übt, Papierflieger zu falten. Da ist Emil längst zu Hause. Betrachter wie (Vor)Leser ahnen, dass Emil bei Elise jederzeit willkommen sein wird.
Für ihre warmherzige Erzählung gestaltete Antje Damm doppelseitige Bilder, deren Farbigkeit abgestimmt auf die Gemütsverfassung der Heldin Elise gesteigert wird. Vor- und Nachsatz verdeutlichen diese künstlerische Idee, indem sie Elises „Lebensraum“ präsentieren: vorn erscheinen Wände und Mobiliar in abgestuften Grautönen, hinten erstrahlt dieselbe Szenerie in roten, gelben und blauen Tönen. Neugierig schweift des Betrachters Blick von der Eingangstür, die Treppe hinauf, weiter in die Ecke darunter zu Elises Bett, um schließlich am Bücherregal innezuhalten. Dieser Schwenk durch den Raum wird möglich, weil die Bilderbuchkünstlerin, einst Architekturstudentin, geschickt viele Techniken mischt.
Aus Kartonelementen baute sie Räume und Möbel. In diese Bühne stellte sie ausgeschnittene gezeichnete Papierfiguren und Gegenstände, kolorierte und beleuchtete die Szenen unterschiedlich und fotografierte sie schließlich. Mit knappen Dialogen deutet Damm beide Charaktere an und fügt die Sätze unaufdringlich ins Bild. Material und Bildkomposition animieren dazu, selbst einen Kartonraum zu bauen. In einer Kindergruppe wird Zusammenarbeit angeregt: vom Entwerfen über das Bauen bis zum Gestalten, Ausleuchten und Fotografieren. Ein anregendes Vergnügen, das der Buchvorstellung vorausgeht. Mit den Kartons könnte die Geschichte fortgesetzt werden: Am nächsten Morgen musste Emil nicht anklopfen, denn die Tür stand offen und Elise …
(Der Rote Elefant 33, 2015)