Nichts stimmt in dieser großformatigen, wunderbar verrückten Bilderwelt, weder Inhalte noch Perspektiven noch Größenverhältnisse. Tiere besuchen einen Zirkus, wo Menschen durch Feuerreifen springen; ein Mann apportiert Stöckchen; im Museum beurteilen Dinos ein ausgestelltes menschliches Skelett. Doch wer verrückt die Welt in einem (fast) textlosen Bilderbuch? Seit der Antike sind es gewöhnlich Wortkünstler, die mit ihren phantastischen Weltsichten Jägerlatein oder Seemannsgarn spinnen. Wer bindet den Betrachtern hier einen Eisbären im Dschungel auf? Nur eine Figur reist scheinheilig lächelnd durch alle Seiten: Micky Maus, die im November 2008 ihren 80. Geburtstag feierte. Offensichtlich eine Reverenz des Comickünstlers ATAK an die legendäre Comicfigur. Micky Maus, ursprünglich als Abenteurer angelegt, passt glänzend in die Erzählerrolle. Bereits im animierten Disney-Musikfilm aus den 1940er Jahren fungiert Micky als Zauberlehrling. Und schon wieder läuft Wasser aus allen Öffnungen eines Hauses. Micky aber stiefelt seelenruhig in Richtung Feuerwehrleute, die bitterernst mit Feuer und Schwert (pardon Beil) das Wasser löschen (oder abbrennen?). Doch damit der anspielungsreichen Verweise auf Bildgeschichten-Klassiker nicht genug. Wer sucht, der findet, auch wenn die Köpfe nicht immer auf den richtigen Hälsen sitzen! Hase und Struwwelpeter, Batman, die Simpsons, Donald Duck, Pitti Platsch, verkehrte Wolfsmärchen, fliegende Züge, schwimmende Flugzeuge, laufende Kanus …
Der Berliner Künstler ATAK wählt kräftige, warme, gedeckte Farben, die Illustrationen wirken wie altmeisterlich-expressive Gemälde. Der ungelenke Eingangs-Rap gibt Hinweise auf das Malmaterial: „… auf nahm ich sein Gebrüll ins Gemälde mit Acryl … Da tanzten plötzlich Pinguine um meine Bleistiftmine.“ Na, wer’s glaubt! Kein Kind jedenfalls glaubt was hier aufgetischt wird: „Noch ein Löffelchen für Baby?“. Was dem Vergnügen bekanntlich keinen Abbruch tut. Ein Bilderbuch – mit Recht für Jung und Alt – zum Eingucken, zum Lachen, zum Auf-Die-Füße-Stellen-der-Welt oder zum Noch-Mehr-Verrücken.
(Der Rote Elefant 27, 2009)