Im Punjab am Himalaya erzählten die Dörfler beim Arbeiten, Spielen und Feiern von „anmutigen Göttinnen … wilden Schakalen und zähneklappernden Affen … verborgenen Tempeln und geheimnisvollen Dschungeln“. Dort wuchs der Hindu Nek Chand (1924–2015) auf. Die vorliegende Biographie erzählt vom Leben des Künstlers, der in Indien auf sechs Hektar Fläche die größte moderne Kunstinstallation der Welt schuf – den „Wundergarten“. Chand war ursprünglich „Bauer, ein Glied in dem Kreis der wechselnden Jahreszeiten und Geschichten, die wie ein Band alles miteinander verwoben … Bis die Männer mit den Gewehren kamen.“ Als der Punjab 1947 in Pakistan und Indien geteilt wird, flieht Chand, wird Straßeninspektor in der indischen Großstadt Chandigarh und gibt seinem Leben dort einen neuen Sinn: Über 15 Jahre lang päppelt er am verwilderten Stadtrand heimlich Pflanzen auf und schafft durch den kreativen Umgang mit Abfall
Mosaike bzw. Skulpturen von Gottheiten, Menschen und Tieren als Abbilder (der Geschichten) seiner Heimat. Nach Entdeckung des „geheimen Reichs“ verhindern Spenden und friedliche Proteste vieler Menschen dessen Zerstörung. Chand erfährt weltweite Solidarität, die sich als stärker erweist als der Wille des repressiven Staats.
Den poetisch-schlichten, durch viele sinnliche Adjektive ausdrucksstark wirkenden Text begleiten an indische Folklore erinnernde, farbintensive, detailreiche Aquarelle, welche die Kontraste zwischen lebendigem Dorfleben (leuchtend-warme Farben bzw. differenziert-gedeckte Erdtöne, geschwungene Linien), menschenfeindlicher Stadt (kalte Farben, kantige Formen, wenig Details) und Wundergarten (zunehmend vielfarbiger und von immer mehr Tieren bewohnt) überzeugend veranschaulichen.
Das graue, Chands Flucht veranschaulichende Bild wirkt wie eine Metapher: Erschöpfte, ins Leere blickende Menschen ohne Habe, Wind und Wetter ausgesetzt, nur Hoffnungsträger Nek trägt – von Kindheit an – ein strahlend blaues Hemd, sodass er durchgängig zu verfolgen ist. Am Ende des Buches vermitteln zwei ausklappbare Fotoseiten die verschiedensten Ansichten des Wundergartens, der letztlich davon erzählt was „alle Menschen überall hören wollen – Geschichten vom Nachhausekommen.“ Nachwort und Bibliographie laden zum Weiterforschen ein – über das Wirken Chands und auch Asiens Geschichte. Ein wichtiges Bilderbuch für Groß und Klein mit vielen Denkanstößen: zu sinnstiftenden Lebensinhalten, der Macht von Kunst und friedlichem Protest, Fluchtursachen und Umgang mit Umwelt(Ressourcen). Kinder könnten aus „Müll“ gemeinsam einen Wundergarten bzw. Wunder(blumen)kästen schaffen, die eigenes Zuhause und/oder Identität reflektieren.
(Der Rote Elefant 37, 2019)