Der sechsjährige Sann will jene Felsmassive aus dem Weg räumen, die seinen Eltern beim täglichen Bestellen der Felder im Weg stehen. Mit der unbeirrbaren Zuversicht eines Kindes trägt er Tag für Tag Felsbrocken in Körben auf die andere Seite der Berge. Sanns kindliche Entschlossenheit und Willenskraft verdeutlicht Chen Jianghong mit einer Folge aus drei Porträts, die er von der Nahaufnahme zur Totale zoomt und damit den Blickwinkel auf seinen Helden vergrößert, ähnlich einem Stilmittel des Comics. Großformatige Verlaufsbilder wechseln mit Bildsequenzen und künden von Sanns Kampf mit den Naturgewalten. Natürlich würde der Junge scheitern, kämen ihm nicht magische Himmelskräfte in Gestalt dreier weißer Drachen zu Hilfe. Auf einer beeindruckenden Doppelseite bildet Chen die Feuerspeienden vor dunklem Himmel ab. Orange, Rot, Weiß und Gelb mischt er für ihre leuchtenden Feuerzungen, mit denen sie die Felsmassive lösen und schließlich davontragen.
In seinem achten Bilderbuch (auf dem deutschen Buchmarkt) setzt der chinesische (in Frankreich lebende) Künstler wieder eine traditionsreiche Maltechnik aus China ein, malt mit Tusche und Pinsel auf Seide, um imposante Bilder zu schaffen, die ihresgleichen in der Bilderbuchlandschaft suchen. Die ästhetische Qualität der Bilder weist den Illustrator als Meister aus. Chen will menschliches Verhalten in Vielfalt und Einmaligkeit beschreiben, will sein Publikum Sehen lehren und zugleich das Verstehen fremder Gesellschaften anregen. In Lehre und Ethik des Konfuzius nimmt die Liebe der Kinder zu ihren Eltern und darüber hinaus zu ihren Ahnen eine besondere Stellung ein. Aus dieser Beziehung entwickelt(e) sich ein System von Verhaltensweisen und Ansprüchen. Dem scheint auch Chen Jianghong verpflichtet.
Starke Gewitter, donnernde Steinlawinen oder lautes Feuerfauchen bieten Anlass für eine Geräuschkulisse, die mit Kindern und Erwachsenen improvisiert werden könnte. Was gebraucht wird, sind ein dünnes Blech zum Schütteln, Reiskörner und Alufolie oder eine gefüllte Wasserschüssel, knisternde Tüten und trockene Äste.
(Der Rote Elefant 34, 2016)