Monsieur Hulot, ein schlaksiger Herr mit Pfeife und gestreiften Socken, macht Ferien am Meer. Wie alle Urlauber will er einen entspannten Tag am Strand verbringen. Es gelingt ihm jedoch nicht, die für diesen Zweck gekaufte Zeitung in Ruhe zu lesen. Widrige Vorkommnisse führen letztlich dazu, dass er sich an einem anderen Strand in einem anderen Land eine neue Zeitung kaufen muss.
Nach Hallo Monsieur Hulot nutzt Merveille erneut die durch den belgischen Regisseur Jacques Tati bekannte Filmfigur und lässt den liebenswürdigen Eigenbrötler wiederum mit den Tücken des Alltags kämpfen. Nach der klassischen Slapstick-Nummer „Aufbau eines Liegestuhls“ konfrontiert er Hulot mit einem Jungen, der hartnäckig um Hulots Aufmerksamkeit buhlt, dessen Vater, der jedes Missgeschick Hulots mit verständnislosem Kopfschütteln quittiert, einer Möwe, die Hulots Schuh zweckentfremdet, und Naturgewalten, die Hulot schließlich auf die andere Seite des Ärmelkanals spülen.
Eindeutiger als im Vorgängerbuch folgt Merveille hier Tatis Film Die Ferien des Monsieur Hulot von 1953, worin dessen urkomischer Held erstmals die Leinwand betrat. Hulots liebevoll gestalteter Blick aus der Dachluke oder dessen Auftritt samt Strandutensilien erscheinen als konkrete Hommage an Tati, erfreuen den erwachsenen Filmkenner und laden dazu ein, diese Szenen gemeinsam mit Kindern im familienfreundlichen Film zu suchen. Die Geschichte funktioniert jedoch auch ohne Kenntnis des Films und vermag große und kleine Betrachter glänzend zu unterhalten.
Das textlose Bilderbuch – auch der Film kommt fast ohne Dialoge aus – animiert mit seinen filmisch anmutenden Sequenzen, spannenden Perspektivwechseln und Leerstellen im Handlungsverlauf zum Erzählen. Die nostalgische Atmosphäre wird neben dem Ambiente – ausgenommen ein Mobiltelefon als Brücke zum Hier und Heute – durch die konsequente Schwarz-Weiß-Szenerie unterstrichen. Ein mutiger Schritt auf dem oft schreiend bunten Bilderbuchmarkt!
Da Merveilles Hulot-Szenen erfindet, die durchaus in den Film gepasst hätten, so aber nicht zu sehen sind, könnten kindliche Betrachter sich ebenfalls weitere Hulot-Episoden ausdenken und sie in Schwarz und Weiß gestalten, wobei Merveilles beeindruckende Bandbreite von Grautönen unbedingt zu berücksichtigen wäre.
(Der Rote Elefant 34, 2016)