Den fröhlichen Oranjes traut man es eigentlich gar nicht zu, dass der Wohlstand der Niederlande im Goldenen Jahrhundert auch auf Sklavenhandel und Sklavenausbeutung beruhte und dass sie erst lange nach England und Frankreich, nämlich erst 1863, in ihren Kolonien die Sklaven freigaben. Viele Niederländer haben das auch vergessen und dann kommt es zu solch schockartigen Erlebnissen, wie sie Dolf Verroen bei sich selbst beschreibt, als er fast sechzigjährig zum ersten Mal Surinam besuchte. Die Erzählung „Wie schön weiß ich bin“ beschäftigt sich nicht mit Geschichte, sondern gibt aus der Sicht der 12jährigen Tochter eines Plantagenbesitzers wieder, wie sie ihre Umgebung und sich selbst beobachtet und empfindet. Eine fürsorgliche Familie, liebevolle Tanten, ein großzügiger Vater. Viele Gedanken verwendet Maria daran, dass Vetter Lukas sie immer noch als Kind ansieht. Das wunderbare Geburtstagsgeschenk in einer Suppenschüssel ist Koko, ein junger Sklave. Als Beigabe eine Peitsche, klein zwar, aber doch so groß, dass sie nicht in die Handtasche passt.
Das ist der Ton dieser Miniaturen, oft nur eine Seite lang, auf’s Knappste reduziert und doch sprachlich so präzise der Naivität des Kindes angepasst, dass keine Distanz zwischen Figur und Leser entsteht. Das letzte Wort des Textes ist „Wunderbar“. Maria freut sich auf das Internat in der Schweiz. Dazwischen sind in winzigen Situationen all die Ungerechtigkeiten, Demütigungen. Misshandlungen geschehen, wie sie die sklavenbesitzende Klasse in aller Welt ohne jeden Anflug von Skrupeln oder Selbstzweifeln über Jahrhunderte praktizierte. Eine literarische Meisterleistung mit einer kongenialen Titelzeichnung von Wolf Erlbruch. Wer den historischen Hintergrund haben will, braucht keine Länderkunden zu wälzen, sondern greift einfach nach einem anderen Jugendbuch, „Anansi’s Web“ von Lydia Rood, mit dem umständlichen deutschen Titel „Wo immer ich gehe, ich nehme dich mit.“ Das spielt unter anderem auch in Surinam (vgl. Roter Elefant, Heft 22).
(Der Rote Elefant 24, 2006)