Im Februar 1943 wird der 15-jährige Paul Haentjes mit seinen Kölner Mitschülern als Luftwaffenhelfer zu einer Flak-Einheit einberufen. Für die Jungs ein großes Abenteuer: endlich nicht mehr Schüler sein, fast schon Soldat – sogar mit eigener Feldpostnummer. Aber die Ernüchterung folgt bald. Die Schüler kämpfen mit Übermüdung und Flöhen. Bei nicht perfekt geputzten Waschräumen droht Urlaubsentzug. Dass die Arbeit an der Flugabwehrkanone lebensgefährlich ist, merken die Jungen schnell, auch der Fronteinsatz bleibt ihnen nicht erspart. Nicht, wie versprochen, nach einigen Monaten, sondern erst nach zwei Jahren leidvoller Kriegserfahrung kehrt Paul aus der Kriegsgefangenschaft zurück.
Laut Dorothee Haentjes-Holländer konnte ihr Vater über diese Zeit nicht sprechen, aber er hat akribisch gesammelt: Briefe, Fotos, Lebensmittelmarken, Ausweise, Urlaubsscheine … So schuf die Tochter aus diesem Nachlass ein beeindruckendes Zeitdokument, welches vom Leben des Vaters in diesen zwei Jahren so anschaulich erzählt, dass den Leser*innen Pauls Gedanken bald sehr vertraut werden. Bei der Einberufung ist Paul fast noch ein Kind, religiös geprägt und eher unpolitisch. Aber da er während des Nationalsozialismus zur Schule gegangen ist, scheint sein Glaube an Volk und Vaterland zunächst ungebrochen. Erste kleine Zweifel finden sich in Briefen an den Bruder Werner, die hier wie all die anderen genannten Dokumente abgebildet sind. Grün unterlegte Infokästen, deren Schrifttype sich vom Fließtext unterscheidet, klären Begriffe (HJ, BDM, Goebbelsschnauze u. a.) oder vermitteln Fakten zu Kriegsursachen (Versailler Vertrag und Wirtschaftskrise) und zur Schulpolitik im Dritten Reich. Da die Zeitzeugen weniger werden – der Krieg ist fast 75 Jahre her – machte es sich die Autorin zur Aufgabe, über das vom Vater „Unaussprechliche“ so zu berichten, dass es für junge Leser*innen nachvollziehbar wird. Dabei geht es ihr nicht um die Schilderung von Schlachten und Kriegsverbrechen, sondern darum, Gedanken und Emotionen eines Jugendlichen in seinem Kriegsalltag so zu vermitteln, dass eine Generation, die darüber wenig weiß und deshalb z. T. relativ sorglos mit „Geschichte“ umgeht, verstehen kann, was Krieg mit Menschen macht.
Aufgrund der layoutgestützten Kombination von historischen Dokumenten und persönlicher Geschichte eignet sich das Buch sehr gut als Schullektüre. In Gruppenarbeit könnten einzelne Fakten und Dokumente untersucht und anschließend verknüpft diskutiert werden. Die übergreifende Frage, was Krieg mit Menschen macht, führt direkt in die Gegenwart …
(Der Rote Elefant 37, 2019)