„Meine Mutter starb diesen Sommer. Ein Lied im Radio war nur noch Geräusch […]. Ein Regenguss war nur noch Wetter und keine Gelegenheit mehr, nach draußen zu laufen und barfuß in einer Pfütze zu tanzen.“
Die 14-jährige Billie lebte mit ihrer alleinerziehenden Mutter in einer Hochhaussiedlung. Obwohl Marika zwei Jobs hatte, reichte das Geld kaum zum Leben. Über ihren Vater oder die Vergangenheit ihrer Mutter weiß Billie fast nichts. Umso größer ist die Überraschung, als sich ihre Großmutter aus Ungarn ankündigt. Mit ihrem Einzug ändert sich schlagartig alles: Nicht nur, dass Billie ihr Zimmer abtreten muss – bei einem handgreiflichen Streit mit der Großmutter stürzt Marika und stirbt. Billie macht sich daraufhin heimlich mit dem alten Nissan ihrer Mutter auf den Weg, um ihren Vater zu suchen und mehr über Marikas Vergangenheit und ihre eigene Herkunft herauszufinden. Die wenigen Anhaltspunkte führen Billie allerdings nicht, wie zuerst vermutet, nach Ungarn, sondern an die Nordsee, wo sie am Ende fündig wird, wenn auch ganz anders als gedacht.
Elena Fischers Debütroman Paradise Garden beschreibt die schwierige Suche nach der eigenen Identität und Herkunft, den Konflikt dreier Generationen, vor allem aber Verlust und Trauerbewältigung. „Die Trauer kommt und geht wie Ebbe und Flut, aber da ist sie immer.“ Billie durchlebt verschiedene Phasen des Trauerns, verarbeitet das Geschehene und muss viel zu schnell erwachsen werden. Wie ein roter Faden ziehen sich Billies Erinnerungen an Marika durch das Buch und die Leser*innen erfahren, wie sie Billie auf das Leben vorbereitet hat. Marika hat Billie das Autofahren beigebracht und wie man aus jeder Situation das Beste macht. Zwar können die beiden nicht in den Urlaub fahren, schaffen sich ihre paradiesische Insel aber auf dem Hochhaus-Balkon. So ist Marika, trotz ihres Todes, in der Geschichte allgegenwärtig.
Elena Fischer greift in ihrem Jugendroman außerdem gesellschaftlich relevante Themen auf, wie den Umgang mit finanzieller Armut; häusliche Gewalt, wie sie sich bei dem benachbarten Paar abspielt; oder die Wohlstandsverwahrlosung von Billies Freundin Lea.
Die bildhaft und poetisch geschriebene Road Novel lässt sich dem Coming-of-Age-Genre zuordnen. Die Autorin trifft mit der Ich-Erzählerin Billie den Ton einer Jugendlichen, ohne dass dieser aufgesetzt oder erzwungen klingt. Der Satz „Meine Mutter starb diesen Sommer“ bildet Einstieg und Ausstieg der Geschichte, das Ende wird zum Anfang und der Anfang zum Ende – Billie beginnt ihre Geschichte aufzuschreiben. Ein Kreis schließt sich.
Seinen Titel verdankt das Buch dem großen, teuren Eisbecher, den Marika Billie ausnahmsweise in einem Eiscafé bestellt hat. Doch wofür könnte „Paradise Garden“ noch stehen?