„Boaz mag die Stille. Aber still sitzen mag er nicht. Er liest gern Bücher über Indianer, und danach rennt er am liebsten wie einer von ihnen durch die Dünen …“ Für sein kleines Museum bei Oma sammelt er Dinge, die er am Strand findet. Dabei ist er eigentlich auf Büffelpirsch … Bis Aisha in die Klasse kommt, hat Boaz keine Freunde, nur Pony Cisco. Aber dann ist Aisha da, ein Mädchen aus Syrien. Für Boaz sieht sie aus wie eine richtige Indianerin. Und wie Boaz mag Aisha die Welt lieber still und wie er spricht sie wenig. Aber beim gemeinsamen Projekt über die Maya können sich beide wunderbar verständigen. Doch dann soll Boaz eine Klasse überspringen, weg von Aisha! Darüber ist er so wütend und traurig, dass er wegläuft. An Pony Cisco kann er sich des Nachts zwar ankuscheln, aber das hilft weder gegen die Angst noch gegen den Hunger. Dank Oma wird Boaz bald gefunden. Wieder zu Hause wagt er es, dem Vater seinen Entschluss mitzuteilen. Mutig erklärt er, dass er die Klasse nicht überspringen werde: Freundschaft sei das Wichtigste!
Wählte Sassen in ihrem 2016 für den DJLP nominierten Jugendbuch Das ist kein Tagebuch, das von der Depression eines 16-Jährigen nach dem Selbstmord der Mutter erzählt, eine überzeugende Ich-Perspektive, so besticht hier die dicht an den Protagonisten gebundene Erzählweise. Die Wortkargheit des introvertierten, phantasievoll-sensiblen Jungen findet in den schlichten und z. T. abrupten Sätzen ihren adäquaten Ausdruckt. Boaz‘ Imagination, Aisha sei eine Indianerin, kontrastiert Sassen bewusst mit der Realität: Aisha ist Syrerin, hat Flucht- und Exilerfahrungen zu verarbeiten, tendenziell auch Fremdenhass, was Ängste und Schweigsamkeit erklärt. Zur emotionalen Wirkung der inhaltlich originellen und ästhetisch beeindruckenden Freundschaftsgeschichte tragen nicht zuletzt die vielen schwarz-roten Illustrationen bei, welche – ausgeführt im Stil indigener Kunst – auch an Kinderzeichnungen erinnern und so Boaz‘ und Aishas naive Weltsicht(en) ausdrücken.
Eingefügte Texttafeln liefern ergänzende Informationen über indigene Kulturen wie die Sioux oder die Maya, aber auch zu Aishas Sprache, dem Arabischen. Um das Außenseiter- und Freundschaftsmotiv einzuführen, wären die Illustrationen auf S. 15 („schwarze“ Schulklasse, „rotes“ Mädchen) und S. 20 („schwarze“ Eltern, „roter“ Junge) geeignet. Was signalisieren die Bilder? Ausgewählte Lesestellen führten dann zu Boaz und Aisha, verbunden mit der Frage, was Covermotive und Titel mit beiden zu tun haben könnten.
(Der Rote Elefant 37, 2019)