„Gack gak, gak putt, guck matt“. Auf der linken unteren Bildseite spielen drei Hühner Schach. Mit „guck daaa …“ weist eines der Hühner auf die rechte Bildseite und lenkt den Blick auf einen großen Huf mit etwas Bein dran. Zu welchem Tier der Huf gehört, können die neugierigen Hühner von unten nicht sehen, lassen aber nichts unversucht, dem großen Unbekannten auf die Spur zu kommen. Stelzen, Leiter oder Trampolin führen nur zu turbulenten Abstürzen, doch ein Megafon bringt den gewünschten Erfolg: Das laut angegackerte Tier beugt den Hals zu den einfallsreichen Hühnern herab. Nun ist es identifiziert, doch erneut kommt ein Huf ins Bild, ein noch größerer …
Die Qualität dieses originellen Bilderbuchdebüts der türkischen Künstlerin Gökçe Irtens liegt auf mehreren Ebenen. Entwicklungspsychologisch bieten sich für kleine Kinder die aufgescheuchten Hühner mit ihrem Entdeckerdrang und ihrer Unermüdlichkeit als Identifikationsfiguren an, wobei deren anfängliche Misserfolge sowohl empathisches Mitgefühl als auch ein wenig Schadenfreude auslösen werden. Wahrnehmungspsychologisch weckt Irtens Spiel mit Proportionen, An- und Ausschnitt bzw. Nah- und Fern-Sicht den Drang, das rätselhafte Tier zu erraten. Dabei werden die kindlichen Entdecker schrittweise begleitet. Sind auf der ersten Seite nur Größe und Tierart zu erahnen, bietet jede weitere Seite mehr Details, die Perspektive rückt beständig ab. Am Ende muss – als haptisches Erlebnis – dann sogar eine Seite ausgeklappt werden, damit die Giraffe samt nächstem Riesenfuß „ganz“ ins Buch passt. Obwohl die Collagen vor weißem Hintergrund auch ohne handgeschrieben-staksige Worte zu „lesen“ sind, knüpft die lautmalerische Hühnersprache wiederum an kindliche Erfahrungen an und wirkt auf sprachlicher Ebene dentifikationsstiftend und sprachfördernd. Auch Kinder entwickeln im Laufe des Spracherwerbs eine eigene rudimentäre Sprache: „Wau-Wau“ heißt Hund und „Gak, Gaks“ sind Hühner oder Enten. (Ob eher „Put, Puts“ zuträfe, ist eine Frage der Übersetzung.) Auf jeden Fall werden Kinder zu verstehen suchen, was die Hühner da so ausrufen und nicht zuletzt der Klang der Hühnersprache, das Vergnüglich-Lautpoetische daran, verführt zum Nachsprechen. In interkulturellen Kindergruppen könnte somit die gemeinsam intonierte „Hühnersprache“ eine besondere Art von Gruppengefühl stiften. Doch Moment mal: Klingen Tiere eigentlich in jedem Land gleich oder wie gackert ein Huhn auf Türkisch oder Russisch oder …?
„Guck gack ga! Wer kommt denn da?“ lädt somit auch zum Austausch über Tierlaute in verschiedenen Sprachen ein.
(Der Rote Elefant 37, 2019)