„Es war einmal ein Hase, der hatte noch nie einen Wolf gesehen und es war einmal ein Wolf, der hatte noch nie einen Hasen gesehen …“ Voller Naivität werden Tom und Lulu Freunde. Doch beim ANGST-VOR-DEM-WOLF-Spiel erschreckt Lulu eines Tages Tom so sehr, dass dieser sich dem Freund entzieht. Erst nach eigenen Angst-Erfahrungen kann Lulu die Angst des anderen nachempfinden. Nur wenn dessen Perspektive wirklich eingenommen wird, kann Vertrauen wachsen, „vorbestimmte“ Besetzungen können dauerhaft durchbrochen werden. Diese Botschaft ist den Texten und Bildern von Solotareff immer wieder eingeschrieben. Seine Tierfiguren, von den Fabeln La Fontaines inspiriert, sind komplexe Charaktere, individuell und symbolisch deutbar. Grégoire Solotareff erfasst und überhöht das Wesentliche seiner Helden. Er stellt sie auf leuchtende, fast expressionistische Farbflächen und grenzt sie mit starken schwarzen Pinselstrichen klar voneinander ab. Die Flächen wirken ohne Farbwertveränderungen sehr geschlossen. Die Perspektive vermittelt sich allein über die Figurengröße. Die Grundfarben Rot, Blau und Gelb dominieren. Während das strahlende Gelb in Bezug auf den Hasen eher Sorglosigkeit vermittelt, bekommt es in der unmittelbaren Nachbarschaft mit dem intensiven Rot eine energiegeladene, beinahe aggressive Stimmung. Rot mehrt sich, wenn sich „Angst“ verstärkt, doch auch Aufbruch in fremde Welten und die Intensität der ungleichen Beziehung spiegelt sich darin. Blau kommt als erweiterndes Moment der Offenheit, auch der Fremde hinzu. Bemerkenswert sind die wenigen, sich wiederholenden Motive sowie der häufige Einsatz von Schatten: Der weiße Mond leuchtet wie eine riesige Lampe grell im Hintergrund, wenn sich Unbekanntes, Bedrohliches andeutet.
Die Themen „Angst“ und „Vertrauen schaffen“ eignen sich für Rollenspiele. Nach Betrachten der Eingangsseiten werden eine Hasen- und eine Wolfsgruppe gebildet. Jedes Kind erhält eine besondere Fähigkeit. Jeweils ein Hase und ein Wolf spielen eine mögliche Begegnung. Der Teamleiter erweitert das Spiel durch Aufgaben, z.B. kommen Jäger in den Wald oder den Tieren droht der Kältetod. Die Kinder suchen gemeinsam nach Lösungen Das Kind mit der jeweils geeigneten Fähigkeit löst den vorhergehenden Spieler ab und die „Rettung“ wird gespielt: z.B. kennt ein Hase ein sicheres Versteck oder ein Wolf kann Feuer machen. Nach Kenntnis des ganzen Buches können Erfahrungen der Figuren, eigene Spiel- und auch Alltagserfahrungen mit „Angst“ und „Vertrauen“ verglichen werden.
(Der Rote Elefant 24, 2006)