Majas „schaurigen Kommandoton“ wird Mama vermissen, wenn die Neunjährige mit Papa, der nicht bei ihnen lebt, verreist. Zum ersten Mal werden die beiden mehrere Tage unterwegs sein. Maja und Mama klären beim Abschiedsgespräch auf dem Sofa, dass es Heimweh geben darf, aber nur, wenn das Herz dabei nicht weh tut. Versprochen! Und dann ist Papa da, hupt laut und lädt übertrieben fröhlich Tochter samt Rollstuhl Max und Gepäck ein. Beide ahnen nicht, dass sie alles andere als Erholung im Luxusferienhaus mit Unterstützung medizinisch geschulten Personals erleben, denn Papa verfährt sich und das Auto streikt …
Gudrun Mebs gehört zu den erfahrensten Erzählstimmen der deutschsprachigen Kinderliteratur und ist einem breiten Publikum durch die Bände um Frieder und seine Oma bekannt. Für ihr Kinderbuch „Sonntagskind“ erhielt sie 1984 den DJLP. Wiederum gelingt Mebs mit ihrer Ich-Erzählerin ein authentischer, Alter und Persönlichkeit der Protagonistin angemessener Erzählton. Präsens und überschaubare Sätze entsprechen der Unmittelbarkeit des Erlebens in einer Ausnahmesituation, die ständig neue Herausforderungen für Vater und Tochter bereithält. So wechseln Ortsbeschreibung mit Ereignisbericht, Gefühlsausbruch und innerem Monolog. In leicht ironischem Ton reflektiert Maja z. B. darüber, dass sie keine „Mausi“ ist, nicht Daddy statt Papa sagen will, bloß weil der das schick findet und Papa wohl noch üben muss, wie man der Tochter einen Gutenachtkuss gibt. Als Maja davon berichtet, wie sie aus dem Rollstuhl rutscht, sich Halt suchend am Ast verletzt und im eisigen Bach landet, aus dem Papa sie gerade noch rechtzeitig rettet und dann fürsorglich verarztet und be“muttert“, wirkt ihre Stimme atemlos-aufgeregt. Gudrun Mebs gestaltet einen Kosmos kindlicher Gefühle und Gedanken, der eine Vorstellung davon gibt, wie aus Spielen und Gesprächen, Unglücks- und Glückserfahrungen eine Zusammengehörigkeit wächst, welche die Zeit des Urlaubs überdauern wird.
Catharina Westphal unter„malt“ mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen die Erzählung, wobei sie sich auf Wesentliches konzentriert. Mal nutzt sie eine Doppelseite, um den Ort des Geschehens abzubilden, mal eine Viertelseite oder den Anfang eines Kapitels für die Andeutung dramatischer Situationen.
Für den Einstieg ins Buch eignet sich ihr farbig gestalteter Bucheinband. Bei genauem Hinsehen fallen zwei Griffe und Stangen gleich hinter einem grünen Hügel auf, die einen Rollstuhl vermuten lassen. Die Selbstverständlichkeit, mit der später im Text das Thema Behinderung behandelt wird, deutet sich hier bereits im Bild an.
(Der Rote Elefant 37, 2019)