Ingebrigt ist der ängstlichste Zirkusjunge der Welt. Dabei lautet sein Nachname „Nieverzagt“ und nomen ist für die Familie omen. Ingebrigt jedoch ist stets verzagt. Glücklicherweise hat Ingebrigt ein Haustier von ebenfalls ängstlicher Natur, Igel Karsten. Dieser zieht seine Stacheln ein und geht glatt als Hamster durch. Nieverzagts arbeiten beim Zirkus „Tornado“, dessen Programm eher einer lauen Brise als einem Wirbelsturm gleicht. War das Zirkusprogramm bisher schon lausig, wird alles noch schlimmer, als plötzlich Requisiten und Tiere verschwinden. Beherzt gründen Ida und Ine Nieverzagt eine Detektei und ernennen Bruder Ingebrigt zum Assistenten. Sie schicken ihn in eine finstere Höhle, ins Ballspielcenter, auf eine bizarre Schminkparty und schließlich auf einen hohen Felsen. Spätestens jetzt ahnt der Leser, dass es sich um einen ausgeklügelten Desensibilisierungsplan handelt, den die Schwestern für den Bruder ausgeheckt haben, getreu dem norwegischen Sprichwort und Motto des 1. Kapitels: „Man muss kriechen lernen, ehe man gehen kann!“
So humorvoll die ganze Geschichte mit ihren literarischen und motivischen Anspielungen daherkommt, so bemerkenswert ist die Erzählperspektive: Ausgerechnet Igel Karsten führt Tagebuch über alles, was im Zirkus passiert, einschließlich Listen über Ingebrigts und seine eigenen Ängste. Igel Karsten kommentiert ausgesprochen lakonisch alle Vorkommnisse, gibt dem Leser aber auch mitfühlend Einblick in die Seele seines hypersensiblen, übervorsichtigen Halters. So hat dieser generell Angst vor Bällen, insbesondere aber davor: von einem Ball getroffen zu werden, einen Ball zu werfen, zu treten oder zu schlagen, aber auch davor, verspottet zu werden, weil er so ein schlechter Ballwerfer, -treter und -schläger ist, und dann hat er noch Angst vor überraschenden Bällen und Ballkanonen … Letzten Endes geht der schwesterliche Plan, Ingebrigt „umzudrehen“, nicht auf. Aber sein Selbstbewusstsein ist durchaus gewachsen: Er entlarvt den Zirkusdieb und bekommt sogar seine eigene Zirkusnummer. Vater und Tochter Hagerup ist ein turbulent-spannendes und sprachlich originelles Kinderbuch rund um das Thema Angst gelungen. Trotz witzig-ironischer Gestaltungsmittel nehmen die Autoren ihre ängstlichen Helden sehr ernst und ziehen sie nicht ins Lächerliche. Ein Buch zum Lachen, Nachdenken, Vorlesen und Darüber-Reden. Als Einstieg könnte ein Ball und dessen Gefahrenpotential aufgelistet und diskutiert werden.
(Der Rote Elefant 26, 2008)