„Wieso? Weshalb? Vegan!“ – die Sesamstraßen-Assoziationen, die Titel und Untertitel hervorrufen, sind Programm. Die Journalistin, Philosophin und bekennende Veganerin Hilal Sezgin will aufklären. Ausgehend von Descartes, der im Dienste der Wissenschaft Hunde bei lebendigem Leib sezierte, über die Utilitaristen bis zu Kant umreißt sie die Veränderung des menschlichen Verständnisses vom Leben und den Lebewesen. Mit Erkenntnissen der Evolutionstheorie und Beispielen der Verhaltensforschung belegt sie zudem, dass Tiere nicht nur empfindungsfähig sind, sondern auch soziale Beziehungen eingehen, vielfältige Bedürfnisse haben und planvoll agieren können. Sezgins Schlussfolgerung ist klar: Tiere sind Individuen, die weder gefangen gehalten, noch getötet werden dürfen. Dass dies dennoch so leicht fällt, liegt laut Sezgin auch an unserem Sprachgebrauch. Wenn wir „Fleisch“ statt „Tier“, „halten“ statt „einsperren“, „werfen“ statt „gebären“ sagen, gehen wir emotional auf Distanz.
Doch Sezgin geht es nicht nur um ethische Aspekte. Sie erläutert anschaulich, was mit der schlechten Energieeffizienz tierischer Nahrungsmittel gemeint ist, wie das Tun global agierender Erzeuger mit den Lebensumständen in ärmeren Ländern korrespondiert und wie die Gesetzgebung auf all das (nicht) reagiert. Ergänzende Infografiken von Christina Hucke und Christiane Hahn bereiten die Fakten auf anschauliche Weise auf. Trotz ihrer Mission bleibt Sezgin realistisch. Veganismus allein wird den Nahrungsmittelmangel einer stetig wachsenden Weltbevölkerung nicht beseitigen. Mit Berufung auf seriöse Quellen zeigt sie jedoch, wie wir ohne Tierhaltung die begrenzten Ressourcen der Erde besser schützen könnten. Sezgin warnt zugleich vor einfachen Rückschlüssen. Niemand wird, weil er Veganer wird, zum besseren Menschen. Es geht vielmehr darum, sich Zusammenhänge bewusst zu machen und Verantwortung zu übernehmen. Stück für Stück, so legt die Autorin nahe, lassen sich alte Gewohnheiten abgelegen und Neues erproben – im Privaten wie auf gesellschaftlicher Ebene. Da Sezgin immer wieder persönliche Erzählungen einbezieht, ihre jungen Leser direkt anspricht und deren mögliche Lebensumstände berücksichtigt, bleibt sie mit ihnen auf Augenhöhe. Wer nach diesem informativen wie leidenschaftlichen Einstieg in das Thema mehr wissen möchte, dem bietet der umfangreiche Anhang vielfältige Links und Leseempfehlungen. Wertvoll für Lehrer sind zudem die Informationen zu Literatur und Experten, die helfen, das komplexe Thema für den Unterricht altersgerecht aufzubereiten. Darüber hinaus gilt das Sesamstraßen-Motto: Wer nicht fragt, bleibt dumm.
(Der Rote Elefant 35, 2017)