Draußen regnet es, die Fahrräder werden nass. Zwei Kinder schauen wartend aus dem Fenster, der Ball liegt bereit. Das kleinere Kind greift zum Smartphone, um sich die Zeit zu vertreiben, doch das größere gibt sich damit nicht zufrieden. Es grübelt und bildet schließlich mit seinen Händen über dem Kopf eine spitze Form – einen „Berg“. Es dauert nicht lange, und der Ball rollt den „Berg“ hinunter und plumpst ins „Wasser“. Ein „Baum“ schützt vor dem Regen, durchlebt die Jahreszeiten, „Ameisen“ krabbeln an ihm hinauf. Die beiden Kinder entdecken nach und nach im Spiel, wie es ist, in der Natur ganz klein zu sein; sie werden zu Riesen und Raubkatzen, erleben Abenteuer am Grund eines Brunnens … bis es endlich aufhört zu regnen!

Jens Rassmus zeigt in seinem neuen Bilderbuch, wie Kinder in die Fantasie abtauchen und spielend ihre eigene Welt erschaffen. Es braucht nur den eigenen Körper, einen Stuhl, ein bisschen Wasserfarbe, einen Eimer – und schon ergeben sich die aufregendsten Abenteuer. Dabei kommt der Künstler ganz ohne Worte aus. Die klaren schwarzen Tuschezeichnungen erzeugen mit wenigen Linien die triste Regenstimmung. Rassmus nutzt diese Technik, um die reale Ebene seiner Geschichte zu schaffen, und behält sie in der Gestaltung der Kinder durchgängig bei. Die fantastische Ebene schafft er mit kräftigen Acrylfarben, wobei ein besonderer Reiz durch die Kombination beider Techniken entsteht, wenn die Kinder als schwarz-weiße Tusche-Winzlinge einen Wald erkunden oder als Riesen in einer Großstadt von Dach zu Dach springen. Dabei wechseln beide Ebenen immer wieder und die Betrachter können vorab spekulieren, was wohl im nächsten Abenteuer passiert.

Wenn die Kinder, im Gegensatz zu vielen anderen „Fantasie-Abenteuern“, in diesem textlosen Bilderbuch einfach nur Berge erklimmen, durchs Unterholz kriechen oder als Raubtiere miteinander balgen, ist das erfrischend einfach – und interkulturell verständlich. Ein Frosch, der eine goldene Kugel am Grunde eines Brunnens bewacht, ist dabei das Fantastischste und das Motiv funktioniert auch ohne Kenntnis des entsprechenden Märchens.

Das Konzept des Buches lädt zum Erfinden und Mitspielen der Geschichten ein. Die Grundsituation ist anhand der ersten Bilder klar, die Tuschezeichnungen legen den jeweils nächsten Schritt fest. Nun lässt sich raten: Was stellt ein Kind mit ausgestreckten Armen dar? Was passiert, wenn die Kinder sich klein zusammenkauern? Was, wenn sie stolz auf einem Stuhl thronen? Die folgenden Abenteuer können erzählt, gespielt oder gemalt und collagiert werden, um sie anschließend im Buch zu betrachten.