„Vielleicht gibt es das gar nicht, sagte er zu sich selbst, dieses Ausland.“ Jürg Schubiger lässt seinen Protagonisten verwirrt und zweifelnd zurück, obwohl er ihn zu Beginn der Geschichte voller Hoffnung in die Welt schickte. Der Mann hatte gehört, dass es im Ausland fast wie im Paradies sei. Und so macht er sich auf die Suche nach eben diesem Paradies – wie viele Buchhelden vor ihm. Diese Suche wird zu einer absurden Reise. Ein Bauer schickt den Mann in die eine, ein Straßenarbeiter in die andere Richtung. Irgendwann schlägt dem Mann sogar Misstrauen entgegen, er selbst soll Ausländer sein und dahin zurückkehren, wo er zu Hause ist. Auf seine Frage aber „Entschuldigung, ist hier das Ausland?“ gibt es keine Antwort. Im Inland ist das Ausland unerreichbar.
Schubiger stellt nicht die Frage nach Landesgrenzen, sondern nach dem Ausland im Kopf, nach der Vorstellung, die sich jeder vom Ausland macht. Das Ausland ist eine Frage der Perspektive und erweist sich als Projektionsfläche sowohl unerfüllter Sehnsüchte als auch verborgener Ängste.
Albertine zeichnet den Weg auf der Suche nach dem Ausland mit dünnem Strich. Schräg verläuft er durchs Land. Das Paradies ist nicht in Sicht, alles bleibt schwarz und weiß, Akzente werden durch Muster und Schraffuren gesetzt. Mit den Mitteln der Reduktion gestaltet sie die philosophische Geschichte. Philosophisch in dem Sinne, dass der Begriff des Auslands auf seinen Bezug zur Wirklichkeit hinterfragt wird – und das auf konkrete und sinnliche Weise.
Als kreative Aktion böte sich an, die „Ausland“-Sätze als Zitate im Raum zu verteilen. Die Teilnehmer bewegen sich kreuz und quer, hin und her, und lesen: „Im Ausland, hatte er gehört, sei es fast wie im Paradies, und dahin wollt er.“ / „Der Mann ging von Land zu Land. Keines glich dem Ausland, das man ihm beschrieben hatte.“ / „Entschuldigung, ist hier das Ausland?“ / „Schon zurück aus dem Ausland?“ / „Vielleicht gibt es das gar nicht, dieses Ausland?“ / „Sie sind wohl ein Ausländer, wie?“ / „Kehren sie nach Hause zurück. Da ist das Ausland!“ Im Anschluss werden die Auslandserfahrungen ausgetauscht, die wirklichen und die literarischen.
(Der Rote Elefant 32, 2014)