Bilder aus Kriegsgebieten und damit Bilder ziviler Opfer bestimmen täglich die Medien. Doch wer sind die Menschen hinter den Bildern? Wie geht einer damit um, was er täglich sieht und „objektiv“ abzubilden hat? Karin Gruß und Tobias Krejtschi unternehmen den anspruchsvollen Versuch, im Medium Bilderbuch von der Arbeit eines Kriegsfotografen irgendwo im Nahen Osten zu erzählen. Dabei wählen sie verschiedene Erzählperspektiven. Die Autorin lässt den Fotografen rückschauend in der Ich-Perspektive von einem Reportage-Auftrag berichten, ergänzt durch Einschätzungen der Situation vor Ort und Aussagen über die eigene Profession. Krejtschi dagegen konzentriert sich vorrangig auf den konkreten Fotoeinsatz. Nur Vor- und Nachsatz sowie die zwei letzten Doppelseiten setzen die (im Text nicht genannte) Erzählsituation ins Bild, wobei seine Illustrationen insgesamt wie eine Hommage an die klassische Dokumentarfotografie wirken. Zunächst (ent)wirft der Illustrator einen Blick ins Büro des Fotografen. Ein stabil wirkender Mann lehnt erschöpft und nachdenklich am Schreibtisch. Die nächsten Seiten geben preis, was an dessen innerem Auge vorüberzieht bzw. was er „wie“ aufgenommen hat. Bereits auf dem Weg zum Unglücksort ‒ dort sind tote und verletzte Kinder zu fotografieren, ein Schulbus wurde beschossen ‒ fängt die Kamera Kinder ein, die in Ruinen „Himmel und Hölle“ spielen. Es folgen „Einstellungen“ von der Arbeit eines Rettungsteams, von Ärzten und Schwestern. Plötzlich sieht der Fotograf einen verletzten Jungen, dessen Basketballturnschuh ihn an seinen Neffen in der Heimat erinnert. Das kräftige Rot des Schuhs inmitten der bis zu diesem Zeitpunkt in Schwarz-Weiß und Grautönen gehaltenen Illustrationen bannt den Blick des Fotografen und erschüttert seine bisherige professionelle Distanz. Das „Grün“ in der Folgeillustration visualisiert die völlig irrationale Hoffnung des Fotografen, der Junge ginge mit seinem Basketball einfach davon.
Dass Objektivität im Sinne von „Heraushalten“ angesichts des Schreckens nicht möglich ist, signalisiert Krejtschi bereits auf dem Schmutztitel: Dort platziert er eine Kamera mit zerbrochenem Objektiv.
Das altersoffene, politisch engagierte, emotional berührende und ästhetisch überzeugende Bilderbuch greift eine Thematik auf, die in vorliegendem (Bild-) Medium selten vorkommt. Gerade für Kinder sollte es genutzt werden, um der ungefilterten Aufnahme von alltäglichen Schreckensnachrichten und –bildern Einhalt zu gebieten, um diese zu begleiten und zu hinterfragen. Ein roter Schuh hilft Bilder zu „sehen“ und zu „lesen“. Spielende Kinder, schon auf dem Buchrücken eingeführt, könnten als visueller Einstieg dienen.
(Der Rote Elefant 31, 2013)