Die 11-jährige Delly wächst in einem kleinen Ort innerhalb einer großen Familie auf. Sie hat fünf Geschwister. Delly ist ein lautes, dominantes, aber auch phantasievolles Mädchen. Sie sagt stets, was sie denkt, und nimmt sich, was sie will. Rücksicht auf andere ist ihr fremd. Die Eltern sind verzweifelt, die Lehrer überfordert. Mitschüler wollen nichts mit ihr zu tun haben. Dellys Egozentrik verursacht so viel Ärger, dass sie auf eine Schule für schwererziehbare Kinder wechseln soll. Dann trifft Delly auf zwei andere Außenseiter: Das Mädchen Ferris, das wie ein Junge aussieht, nicht spricht und Angst hat vor Berührungen, und den Basketball begeisterten Bud, der stottert und dem allgegenwärtigen „Plaudern“ nicht gewachsen ist. Bud möchte lernen, Basketball zu spielen, „wie niemand es je gesehen hatte, nur besser.“ Zunehmend – und mit Hilfe von Dellys kleinem Bruder RB – gelingt es den drei Einzelgängern Vertrauen zueinander aufzubauen. Sie erschaffen sich ihre eigene Welt, gehen auf Abenteuersuche und erobern sich „Verschlupfe“ – ein Baumhaus und eine kleine Insel. Ihre Freundschaft lehrt sie, Rücksicht aufeinander zu nehmen, sich gegenseitig zu unterstützen und den Zuschreibungen anderer zu widersetzen. Durch Ferris lernt Delly, dass Fragenstellen ein gutes Mittel ist, die Wünsche anderer wahrzunehmen und Ärger abzuwenden. Als sie es schafft, eine unangenehme Frage zu stellen, offenbaren ihr die Striemen auf Ferris‘ Rücken eine traurige Wahrheit: „Sie waren blau wie Eis, mit tiefgefrorenen, traurigen Geschichten darin.“ Daraufhin vertraut sich Delly den Erwachsenen an, die der Freundin helfen.
Die für die realistische Kinder- und Jugendliteratur häufigen Themen „Gewalt“ und „Außenseiter“ gestaltet die Autorin auf fantasievolle Weise und mit psychologischer Genauigkeit. Sie plädiert für eine geschützte, aber dennoch eigenständige Kindheit. Die Erzählstimme bleibt nah an den Figuren Delly und Bud, die beide auf ihre Weise versuchen, Ferris auch ohne Worte zu verstehen. Tiere können offenbar direkt mit Ferris kommunizieren, was dem Text etwas Märchenhaftes verleiht. Inhaltlich und formal spielen Sprache und Kommunikation für Figurencharakteristiken und Textwirkung eine entscheidende Rolle. Dellys Kreativität wird u. a. mit ihren zahlreichen Wortschöpfungen ausgedrückt, wie z. B. „verdammdusselig“ oder „Schlurftrödler“. (Das dafür angelegte Glossar überstrapaziert die Idee etwas, da die Wörter selbsterschließend sind.) Die Stärke des Romans, der mit dem „Luchs“ ausgezeichnet wurde, liegt in der Originalität und Eindringlichkeit sowohl des Erzählten als auch der Erzählweise.
(Der Rote Elefant 32, 2014)