„Oh“ ‒ lautet Willys vielsagender Kommentar, als er erfährt, dass die Mutter von Jonas schwanger ist. Für Willy steht fest: Jonas muss gewarnt werden! Er solle sich schon mal einen Platz im Kinderheim sichern, da mit der elterlichen Liebe zu Jonas nun Schluss sei! Dass Willys Äußerungen mit eigenen Erfahrungen als frischgebackener Bruder zu tun haben, erfährt Jonas (ebenso wie der Leser) erst viel später. Jonas jedoch ist stark verunsichert. Für ihn beginnt eine Woche voller Fragen: Was ist eigentlich „Liebe“? Kann man jemanden gleichzeitig lieben und nicht lieben? Kann man vergessen, dass man jemanden liebt? Jonas beobachtet und befragt Mutter, Vater, Oma, ändert sein Verhalten ihnen gegenüber, testet sie aus. Er bekommt eine Ahnung davon, wie vielfältig und kompliziert das mit dem Lieben und Nicht-(mehr)-Lieben ist. Und hofft, dass Oma recht hat: „Je mehr Kinder da sind, umso mehr Liebe ist auch da.“
Feinfühlig-humorvoll ist die Darstellung der Ängste, die mit der Ankunft eines Geschwisterkindes einhergehen können, ebenso wie Jonas‘ ganz eigensinnige, fast philosophische Art und Weise, sich auf die kommende Situation vorzubereiten. Der Leser wird in den Prozess von permanenter Sinnkonstruktion und –dekonstruktion einbezogen. Das Familienleben läuft normal weiter, doch für Jonas ist es eine Zeit der existentiellen Auseinandersetzung. Diese Art kindlicher Aneignung von Welt zeigt den Selbstbildungsprozess von Jonas par excellence.
In Eva Erikssons halb- und ganzseitigen Illustrationen sind u. a. Comic-Elemente integriert. So verdeutlichen Denkblasen „Jonas‘ Liste über alles, was er konnte“. Auf einem Simultanbild wird der Verlauf eines Streits im Supermarkt verdeutlicht und ironisiert. Die in Pastelltönen mit Bleistift, Buntstift und in Aquarelltechnik gestalteten Bilder spiegeln die unterschiedlichen emotionalen Zustände der Protagonisten. Zum Einstieg in eine Veranstaltung kann das Buchcover betrachtet werden. Es zeigt Jonas im Mittelpunkt. Wie in seinen Gedanken „kreisen“ alle die um ihn, deren Verhalten, Meinungen und Erfahrungen in Liebesdingen ihn beeinflussen. Was hat es wohl auf sich mit der Frau am Grab, dem Teddybären oder dem Mädchen mit dem Herzluftballon?
(Der Rote Elefant 31, 2013)