Katrin Schärer und Lorenz Pauli sind ein erprobtes, fleißiges Team in Sachen Bilderbuch. Schaut man sich ihre Berufe an ‒ Schärer arbeitet als Werk- und Zeichenlehrerin in einer Sprachheilschule, Lorenz Pauli ist Kindergärtner und tourt mit Kinderprogrammen durch die Schweiz ‒ versteht man, dass ihre gleichnishaft-humorvollen Geschichten pädagogische „Botschaften“ im Sinne sozialen Lernens vermitteln. Bewusst wählen sie vermenschlichte Tiere als Protagonisten. Kindergarten- und Vorschulkindern bieten sie damit ästhetisch verfremdete, geschlechtsneutrale Identifikationsfiguren an, welche Erfahrungen mit Gleichaltrigen oder in der Familie widerspiegeln.
„Nur wir alle“ erzählt von geglückter Teambildung. Die Einbandrückseite verrät: „So ein Glück, vorhin waren sich alle noch fremd und jetzt ist es eine Geschichte geworden und die hat es in sich.“ Was pädagogisch nach „Inklusion“ klingt, erweist sich in der künstlerischen Umsetzung (einer Auftragsarbeit für das Schweizerische Bundesministerium für Sport) als überaus gelungen. Die Geschichte hat „in sich“, dass Maus und Hirsch, Fisch und Erdmännchen, Bär und Elster am Ende zusammen spielen. Fehlverhalten und Vorurteile erweisen sich als revidierbar: Die Elster mimt nicht mehr den „Chef“, der „stumme“ Fisch diskutiert und der Bär „enttäuscht“ schlimme Erwartungen, indem er dem Fisch das Leben rettet. Die Teambildung ist umso bemerkenswerter, da aus früheren Büchern bekannte Tiere in den dynamischen Illustrationen deutlich widerborstiger erscheinen. Der knappe, leicht ironisch erzählte Text vermeidet bewusst Charakteristiken. Diese leisten die Bilder mittels expressiver Haltung, Gestik und Mimik der Tiere, aber auch illustrationstechnisch. So balanciert die Maus als Bleistiftzeichnung federleicht über den Bach, während der Ölkreide-Hirsch ‒ noch auf dem Vorsatz glasig gelangweilt blickend ‒ schwerfällig-aktiv ans andere Ufer plumpst.
Für die literaturpädagogische Arbeit mit anspruchsvolleren Bilderbüchern, insbesondere für Einsteiger, sei „Nur wir alle“ ausdrücklich empfohlen, auch weil die Illustratorin gekonnt mit Möglichkeiten zum Innehalten und Weiterspinnen spielt. So deutet sie z. B. im aquarellierten Hintergrund, minimalistisch in Pinselstrich und Farben, eine sich zuspitzende Situation bereits an. Wie konnte es weitergehen? Wie wurden Hirsch oder Maus … die Geschichte erzählen? Letzteres ergibt sich aus den Bildern selbst, da Schärer aus wechselnden Tier-Perspektiven illustriert. Zum „Dialogischen Vorlesen“ und Erzählen mit dem Kamishibai eignen sich überdies alle Bilderbucher des Schärer-Pauli-Teams, erinnert sei an „Mutig, mutig“, „Pippilothek“ und vor allem an „Johanna im Zug“.
(Der Rote Elefant 31, 2013)