Wir begegnen in diesem Buch drei Eisbären oder eigentlich vier, denn der dritte trifft in der eigenen Wohnung einen Eisbären, der genauso denkt und spricht wie er.
Außerdem kriechen einige eigensinnige Kartoffelkäfer durch vier Geschichten. Ansonsten wären da noch ein Wolf, der von sieben frechen Geißlein erschlagen wird. Deren Mutter sucht wahrscheinlich noch immer nach ihnen, denn sie hinterließen ihr im Uhrenkasten folgende unverschämte Nachricht „Willst du jemand finden, musst du selbst verschwinden!“ Hase und Igel wetteifern um die erfolgreichste Werbung. Tja, und eine Katze, ein Hund, ein Kaninchen, ein Floh und ein Papagei wollen sich einfach nicht bei einem Mann einleben, der die besten Voraussetzungen für sie schafft … Und dann ist da noch Florian, der sich verwandelt vom Stinktier in einen Bären, in einen Hund, in eine Schlange, in einen Vogel, in einen Hamster bis er endlich genug hat vom Zoo-Spielen.
Lutz Rathenow hat 19 Geschichten geschrieben, in deren Mittelpunkt (fast) immer Tiere stehen. Ihre Abenteuer entspringen menschlicher Erfahrung vom Vergessen und Träumen, vom Sehnen und Verlangen nach Liebe oder Veränderung. Rathenows Stil ist schnörkellos, er traut den Lesern zu, abrupte Geschichtenenden oder überraschende Entwicklungen auszuhalten. Egbert Herfurth verortet Rathenows Protagonisten – wie dieser auch – in Räumen: Bahnhof, Meer, Erdball, Wohnung … Er gestaltet sie meist in Pastelltönen, übertreibt und überzeichnet Skurriles jedoch mit den Mitteln der Karikatur. So ertrinken die sieben Geißlein in den Scherben des Geschirrs, das sie fallen ließen, nur weil sie nicht abwaschen wollten. Wenn auf dem Cover alle Tiere am runden Tisch sitzen, ist jedes für sich mit etwas anderem beschäftigt. So schafft Herfurth interpretierende Bilder für die Philosophie der Geschichten von Rathenow. Jeder einzelne ist wichtig mit dem, was er kann und macht. Nur so wird ein Zusammenleben möglich. Dieses Buch ist ein Vorlese- und Gesprächsbuch.
(Der Rote Elefant 24, 2006)