Die Tagebuchaufzeichnungen des 18-jährigen Mikke beginnen an einem 7. Februar um 5 Uhr 57. Mikke kann oft nicht schlafen. Er wird noch 3 Monate und 4 Tage leben und sich dann selbst töten. Im Tagebuch erzählt er vom Alltag und von der Schule. Er betreut ehrenamtlich einen geistig behinderten Jugendlichen, mit dem er redet oder auch mal ins Schwimmbad oder ins Kino geht. In der Schule interessieren ihn besonders naturwissenschaftliche Themen, darunter vor allem solche, die etwas über das Funktionieren von Leben oder dessen Gefährdung aussagen. Die zerstörerischen Eingriffe des Menschen in die Natur empfindet er als akute Bedrohung. Besonders die noch überlebenden, aber auch vom Aussterben bedrohten Arten der Schildkröten beschäftigen ihn. Er findet eine tote Waldmaus. „Sie hatte etwas Menschliches. Keine sichtbare Todesursache.“ Von seiner Freundin Siri trennt er sich, ohne genau sagen zu können warum. An der Abiturfeier nimmt er nicht teil. Er geht nicht mehr zur Schule und lässt die Wohnung verwahrlosen, als die Mutter mit ihrem Freund verreist ist. Am Tag vor ihrer Rückkehr schneidet er sich die Pulsadern auf.
Der zweite Teil des Buches besteht in einer Art Erinnerungstagebuch der Mutter und Briefen, die Freunde, der Vater und Siri postum an Mikke schreiben. Alle suchen vergeblich nach einer Erklärung. Das scheint auch in der Realität eine häufige Erfahrung von Personen zu sein, die einen suizidalen Freund oder Familienangehörigen haben. Wenn dieser sich nicht mitteilt und Hilfe sucht, bleiben die Anzeichen der drohenden Gefahr unbemerkt. Aber sie sind da. Das ist die Botschaft des Buches. Mikke erlebt eine Entfremdung von der Normalität der anderen, von sich selbst und schließlich vom Leben. Nur ein erfahrener Therapeut in seiner Nähe hätte das wahrnehmen können.
Den Selbstmord eines Jugendlichen kann man nicht „erklären“, weder in der Wirklichkeit noch literarisch. Die Personen, die zu Wort kommen, versuchen nur sich selbst zu verstehen. Dazu rufen sie einzelne Szenen auf, Erinnerungsbilder, metaphorisch verdichtete Situationen. Eine poetische Sprache soll den Gefühlen gerecht werden.
Die Autorin hat bereits 1986 einmal den DJLP erhalten für ein Buch mit dem Titel: „Abschied von Rune“. Darin ertrinkt ein Kind. In einem Interview gesteht sie, dass ihre Bücher häufig von den Nachtseiten des Lebens handeln. Damit will sie aber eher dazu beitragen, sich diesen stellen zu können. Während der Arbeit an vorliegendem Buch habe sie Camus gelesen. Der „Mythos vom Sisyphos“ beginnt mit dem Satz: „Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord.“
(Der Rote Elefant 30, 2012)