Ein schlauer Fuchs dieser Martin Baltscheit! Nutzt er doch für sein Bilderbuch über einen alternden, an Demenz erkrankten Fuchs alles, was Sprach-, Bild- und Buchkunst bieten: Anspielung und Anschnitt, Computermontage und Chorgesang, Rätsel und Redewendung. Listig „lockt“ er Kinder und Erwachsene gleichermaßen in Bilder und Text, die sich nirgends doppeln, und blättert mögliche Seiten des Älterwerdens auf. Sein Fuchs, der mit einem Osterei durch die verschneite Nacht schleicht, lässt den Betrachter anfangs vielleicht schmunzeln, aber diese spöttische Anwandlung verwandelt sich in Mitgefühl, sowie er erkennt, welches Problem dahintersteckt. Mit einem tröstlichen Ende – die jungen Füchse erweisen sich als dankbare und verständnisvolle Gefährten – entlastet der Künstler seine Leser, ohne das Thema zu banalisiere.
Baltscheit plädiert für einen verständnisvollen Umgang mit Menschen, denen am Lebensende Kraft und Verstand schwinden. Dafür nutzt er bewusst die Fabelfigur, der seit eh und je „Verstand“ als „menschliche“ Eigenschaft zugeschrieben werden. Auch das weitere Figurenensemble ist fabelmäßig besetzt: wissbegierige Jungfüchse, hetzende Hunde, singende Gänse, schadenfrohe Hühner und Schafe. Beeindruckend setzt Baltscheit die Veränderung des einst so souveränen Schlaukopfes zu einem, der am Ende nicht mehr weiß, wer er ist, ins Bild!
Neben einer Gestaltung in fuchsroten Farben und flächigen Formen erzählt – wie häufig bei Baltscheit – auch die Typo-grafie mit: durch verschieden eingefärbte, gerade Zeilen und turbulente Satzbögen. Große und kleine Schriftgrade wechseln sich ab. Fette und kursive Schriftschnitte symbolisieren neue Abenteuer oder setzen bestimmte Akzente im Demenz-Prozess. Diese genaue, aufeinander abgestimmte Komposition integriert selbst die Seitenzahlen: ab Seite 16 geraten diese durcheinander, entsprechend dem Chaos im Fuchshirn. Aber nicht alles lässt sich auf den ersten Blick erfassen. Z. B. verrät Baltscheit mit keinem Wort, wie der schlaue Fuchs den Hunden entkommt. Wer die erste Doppelseite genau betrachtet, findet die Lösung. Damit lädt Baltscheit im Sinne eines vorbeugenden Trainings der eigenen kleinen grauen Zellen zu lust-vollen Entdeckungen bzw. zum Nachdenken ein.
Dazu eignet sich auch der Trickfilm, der des Ansehens wirklich lohnt, allein oder in der Gruppe. Zu finden ist dieser über die Webseite des Autors. Gemeinsam könnte jede(r) mit den Gänsen den abschließenden Spottvers singen, der auf die Melodie des Kinderliedes „Fuchs, du hast die Gans gestohlen …“ passt.
(Der Rote Elefant 29, 2011)