Jo hat einen Traum: Fußballprofi. Ihr Idol: Cristiano Ronaldo. Um die eigene Leistung zu steigern, muss die 13-Jährige ihrer Mädchenmannschaft den Rücken kehren und in einer Jungenmannschaft trainieren. Als einziges Mädchen ist Jo dort Anfeindungen von Mitspielern und deren Eltern ausgesetzt, die sie aufgrund ihres Geschlechts abwerten. Mit jedem Spiel erobert sich Jo jedoch Stück für Stück einen festen Platz in der Mannschaft und erwirbt Anerkennung. Unterstützt wird sie von ihrem „Fanclub“, darunter die berlinernde, zum Islam konvertierte „Mama Ahmed“. Trotz Pendelmodus zwischen getrennten Eltern und Permanent-Streit mit der tanzenden Schwester Katrina erfährt Jo die Liebe einer Familie, die zu ihr hält. Der sich schroff gebende Mannschaftskollege Ron, der nicht nur perfekt Balljonglage beherrscht, sondern auch ein „krass guter“ Tänzer ist, entpuppt sich am Ende nicht nur als Tanzpartner für Katrina, während Jo rekapituliert: „Ich hatte im Moment keine Zeit für die Liebe. Fußball war mir viel, viel wichtiger.“
Martina Wildners Roman thematisiert Geschlechterstereotype und offenbart, wie viele Hürden sich aufbauen, wollen Mädchen oder Jungen in einem Bereich Erfolg haben, der immer noch dem jeweils anderen Geschlecht zugeordnet wird. Das gilt für die fußballbegeisterte Jo ebenso wie für Tanztalent Ron. Aber Wildner zeigt auch, dass dank guter Freunde und Menschen, die an einen glauben, diese Hürden zu überwinden sind. Einen ungewöhnlichen Beistand leistet dabei Nachbar Kubitschek, der auf 1000 Bildschirmen jedes Fußballspiel aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verfolgen kann, sodass er gottgleich Jos Karriere als Profifußballerin voraussieht. Diese von Wildner eingewobene fantastische Ebene symbolisiert, dass „Träume“ schon immer Veränderungen in Realität und Bewusstsein vorausgingen und – wie bei Jo – Motivation stärken können. Der aus der Ich-Perspektive von Jo erzählte Roman hat Schwung und trifft besonders in den Dialog-Passagen den Ton von Teenagern, wobei die Autorin immer wieder in direkter bzw. indirekter Rede Rollenbilder hinterfragt, ohne dabei zu moralisieren.
Mit Jugendlichen könnten Selbstaussagen von Sportlerinnen und Sportlern Fotos zugeordnet werden, welche diese in der jeweils „anderen“ Männer- bzw. Frauendisziplin zeigen. Nach einer Diskussion über Geschlechterstereotype im Sport böten sich Recherchen zu Biografien der dargestellten Persönlichkeiten an. Welche Hindernisse mussten im Laufe ihrer Karriere aufgrund ihres Geschlechts überwunden werden?
(Der Rote Elefant 39, 2021)