Antikapitalist und Naturphilosoph, Steuerverweigerer und Unterstützer der Antisklavereibewegung ‒ was hat Henry David Thoreau (1817 – 1862) Kindern und Jugendlichen heute zu sagen?
Die großformatige graphic novel besticht allein durch die Bilder bereits auf den ersten Seiten. Thoreau verlässt die Stadt und baut sich ein Haus im Wald: „Hier ist das Leben, ein Experiment.“ Sofort ist der Betrachter nah bei ihm, einem eigenwilligen und mutigen Menschen, der nicht bereit war, sich Regeln zu unterwerfen, die er nicht anerkannte, der sich die Freiheit des Denkens nicht verbieten ließ. Auch wenn er dafür mal ins Gefängnis musste. Den Lehrerberuf gab er auf, weil er die Prügelstrafe ablehnte. Er unterstützte die Abolitionisten, also Menschen, die Sklaven aus den Südstaaten bei der Flucht halfen. Von den Indianern wollte er lernen, wie man im Einklang mit der Natur leben kann. Für Karl May oder den Steglitzer Wandervogel, die Keimzelle der deutschen Jugendbewegung, hatte er Vorbild sein können. Vielleicht kannten diese sogar sein Hauptwerk „Walden“.
Die Bildgeschichte benutzt gängige Comic-Elemente, wechselt von Panoramabildern zu Nahaufnahmen. Manche Bildfolgen erinnern an spannungsreiche Filmszenen, etwa wenn der militante Abolitionist John Brown von der Polizei gejagt und schließlich gehängt wird.
Am stärksten beeindrucken jedoch die ganzseitigen ruhigen Naturbilder, ganz ohne Text: der nackte Thoreau flötespielend am See, Samenkörner in den Boden legend oder Pflanzen zeichnend. In einer Zeit, als der Raubbau an der Natur und die industrielle Landwirtschaft noch in den Kinderschuhen steckten, formulierte Thoreau Gedanken, die zu Grundthesen der späteren ökologischen Bewegung wurden. Darin spricht sich eine politische Haltung aus, die selbst Kinder gut verstehen können und selbst formulieren: Die Sorge um die Umwelt. „Ich wollte intensiv leben“, wird Thoreau zitiert. Was konnte das heute bedeuten? Welche Bedingungen mussten dazu geschaffen werden?
Im engagierten Nachwort des „jungen“ Verfassers (mit einigen dokumentarischen Fotos), das sich eher an erwachsene Leser richtet, wird gesagt, dass eine politische und philosophische Einordnung Thoreaus immer noch schwierig ist. Vielleicht haben Kinder und Jugendliche einen direkteren Zugang: „Hören, was der Wind sagt.“
(Der Rote Elefant 31, 2013)