Einmal
Aus dem australischen Englisch von Uwe-Michael Gutzschhahn
188 Seiten
ab 10 Jahren
€ 8,95

„Einmal habe ich Zelda sieben Stunden lang Geschichten erzählt.“

So beginnt eine der 17 Episoden aus dem Leben des 9jährigen Felix Salinger, eines jüdischen Jungen, den die Eltern, um ihn zu schützen, in einem katholischen Waisenhaus abgegeben haben. Die Handlung spielt 1942 in Polen. Die Eltern, Besitzer eines Buchladens, sind vielleicht von den Nazis bereits verschleppt oder umgebracht worden. Aber das weiß Felix nicht. Er reißt raus und macht sich auf die Suche. In seiner Phantasie versucht er, solange es überhaupt geht, allen ihn erschreckenden Erlebnissen eine harmlose Bedeutung zu geben. Er erzählt sich und anderen Kindern Geschichten, um sie zu trösten. Wenn es ganz schlimm kommt, betet er zu allen Heiligen und zu Adolf Hitler, von dem er Hilfe erhofft. Aber irgendwann erkennt er doch die brutale Realität, findet sich im jüdischen Ghetto wieder und ersetzt Adolf Hitler durch Richmal Crompton, einen Autor von Abenteuerbüchern, die er früher gern gelesen hat. Beim Transport in ein Vernichtungslager gelingt es ihm zusammen mit dem polnischen Mädchen Zelda aus dem fahrenden Zug zu springen.

Der inzwischen in Australien lebende englische Autor verfolgt mit dem Buch mehrere Ziele. Er will sich an seine jüdischen Wurzeln erinnern, aber auch Janusz Korczak in der Figur des Zahnarztes Barnek ein Denkmal setzen. Die aus der Sicht des Kindes in der Gegenwart erzählte Geschichte nähert sich einer kindlichen Erlebnisweise sehr an, obwohl Felix für einen 9jährigen vielleicht doch etwas zu naiv erscheint. Durch die einzelnen Episoden, die immer mit „einmal“ anfangen, werden jedoch wie bei einer filmischen Schwarzblende Erinnerungsfetzen aneinandergereiht. Dadurch entstehen beim Leser Bilder, die eine Ahnung von den Schrecken des Holocaust vermitteln können. Dass das Ende offen bleibt – Felix hat eine kleine Chance zu überleben – wird es Kindern erleichtern, mit den grausamen Erlebnissen umzugehen, um vielleicht, wie es der Autor im Nachwort ausdrückt, „das Unvorstellbare zu begreifen.“

(Der Rote Elefant 28, 2010)