Ein Schriftsteller, auf Ideensuche für eine Geschichte, entscheidet sich für eine junge Katze als Protagonistin. Er setzt sie in eine „bestimmte Umgebung“, wo sie die Ereignisse seiner Geschichte selbst erschaffen soll. So muss er nur noch beobachten und aufschreiben. Nach einer Attacke von bissigen Hunden wendet sich die Katze hilfesuchend an den Schöpfer, aber der verweist sie auf sich selbst. Die Katze nimmt die Herausforderung an und behauptet sich, u. a. gegen einen Fisch, der beim Angriff dabei war. Am Ende finden Fisch und Katze „liebe“voll zueinander. Für den Schriftsteller: „Ende gut, alles gut.“ Aber die Katze springt aus dessen Notizbuch heraus und verabschiedet sich mit den Worten: „Soll ich denn ewig in einer einzigen Geschichte herumlaufen, eingesperrt zwischen zwei Buchdeckeln wie zwischen Mauern?“ Verzweifelt sucht der Schöpfer „seine“ Katze „in allen Straßen, Gärten und Gassen“ und fragt sich, ob er sie je wiederfindet …
Die Libanesin Nabiha Mheidly und der Ägypter Walid Taher unternehmen den verdienstvollen Versuch, Kindern kreative Prozesse nahezubringen nebst der Tatsache, dass Erfundenes im Laufe dieser Prozesse eine Eigendynamik entwickeln kann. Dafür wählte Mheidly einen Schriftsteller als Ich-Erzähler, der seine Art des Schreibens vorstellt: „Ich sah ihr zu und schrieb alles auf.“ Das Ich im Text beschreibt jedoch vorrangig seine Beziehung zur Katze. Was für eine Geschichte da entsteht – von der Figurenwahl über die Episoden bis zum Happy End – „erzählen“ allein die humorvollen Bilder. Überdies charakterisieren diese auf liebevoll-ironische Weise Nähe und Distanz der Protagonisten. Da krallt sich die „niedliche“ Katze schon mal gleichnishaft am Kopf des Schriftstellers fest oder übernimmt dessen Stift. Der rundliche Schriftsteller wiederum – samt schütterem Haar, Brille und Bart – ähnelt dessen Illustrator auf verblüffende Weise. Taher arbeitet mit Wasserfarben und Buntstift in Rot, Grün und Grau-Blau, wobei rotkariertes Hemd und rote Brille aus allen Bildern herausleuchten.
Comicähnlich verbinden grüne Sterne und Punkte den Kopf des Schriftstellers mit dessen Denkblasen-Ideen. Letztere erscheinen skizzenhaft auf grauen Tuscheflecken, sind durch diese begrenzt oder ragen über sie hinaus, was – dem Gegenstand des gleichnishaft angelegten Bilderbuchs entsprechend – eine gewisse Diffusität vermittelt.
Zum Umgang mit dem Buch eignen sich die drei roten Sätze, welche sich aus dem ansonsten in Grün gesetzten Text abheben und alle auf die Beziehung zwischen Schriftsteller und Protagonistin verweisen. Der erste Satz bietet einen Einstieg durch die Frage nach der Auswahl der Hauptfigur, der dritte fragt danach, ob der Schriftsteller die Katze wiederfinden wird. Mit Buntstift und Tusche könnten Kinder dem Suchenden helfen, indem sie Ideen entwickeln, wo die Katze sein könnte und was sie gerade erlebt.
(Der Rote Elefant 39, 2021)