Warum kontrollieren Nashörner ihre Haufen? Warum reckt die Fledermaus ihren Hintern gen Himmel? Und: Wer ist schlauer – Hyäne oder Hase(n)?
Die gebürtige Iranerin Nasrin Siege wuchs in Deutschland auf und lebt seit 1983 in Afrika, wo sie sich in Straßenkinderprojekten engagiert. Mit Hingabe sammelt sie afrikanische Märchen. Mit „Morgen kommt die Hyäne zum Essen“ präsentiert sie fünf humorvoll-hintergründige Tierfabeln, wobei Denk- und Handlungsweisen der Tiere – genregemäß – menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen spiegeln. Lächerlich gemacht werden Eitelkeit, Eifer und Streitsucht, aber vor allem Dummheit. So wird in der Titelgeschichte ein Hasenkomplott geschmiedet. Eine Häsin verkleidet sich als Löwe, erschreckt die Hyäne und jagt sie in die Flucht. Zwar haben die Hasen die Hyäne reingelegt, aber diese glaubt bis heute – und erzählt es stolz ihren Kindern – sie sei schneller gerannt als ein Löwe! Auch afrikanische Schöpfungsmythen erzählt Siege, wie im Einstiegstext, worin Gott missfällt, dass alle Tiere grau sind. „Egal wie, Gott fand immer eine Lösung und so bekam jedes Tier eine eigene Farbe und den eigenen Schmuck.“ Doch das Nashorn kommt zu spät. Damit es sich selbst ein Kleid nähen kann, überlässt ihm Gott „Die wichtige Nähnadel“. Aber das Nashorn verschluckt die Nadel und kann sie Gott nicht zurückgeben. Jetzt weiß jedes Kind, warum Nashörner grau sind und stets ihre Haufen inspizieren!
Der leicht lesbare Text endet stets mit einer Pointe, was ihn zu einem guten Vorlesetext macht. Insgesamt jedoch dominieren die dynamischen, detailreichen Illustrationen, eine Mischung aus Blei- und Buntstiftzeichnungen, gefärbten Flächen und aufgeklebten Figuren, durch die sich der Text manchmal einen Weg zu bahnen scheint oder nur mittendrin Platz findet. Illustrationsstil und Layout machen den Schauwert des Buches aus, untersetzen aber gleichzeitig die Textbotschaft. Besonders überzeugend in „Die wichtige Nähnadel“, wo in einer blass-beige-olivgrünen Savanne graugestrichelte Tiere unterwegs sind, was den Unmut Gottes ob dieser Uniformität verständlich macht. Das Nashorn steht weit entfernt, was dessen Verspätung bereits signalisiert. In der Folge explodieren die Farben und es wimmelt nur so von Punkten, Karos, Strichen und Mustern. Begeistert über die neuen „Kleider“ wirbeln die Tiere über die Doppelseite als wäre sie ihnen zu eng. Auch sind originelle Modernismen zu entdecken, wie ein QR-Code, den Gott als Probemuster für das Zebra-Kleid nutzt oder die Möglichkeit, die Hyäne mithilfe einer GPS- Karte zu verfolgen.
Zur Einführung könnte mit Kindern zusammengetragen werden, was sie über Tier- fabeln wissen bzw. welche sie kennen. Im Anschluss würde die Illustration mit der „grauen“ Tierreihe gezeigt. Dazu käme eine Nähnadel. Was könnte hier erzählt werden?
(Der Rote Elefant 37, 2019)