Ellen Cohen, ein musikalisch hochbegabtes jüdisches Mädchen aus Baltimore, ist der Stolz ihres Vaters, eines verkappten Opernsängers, teilt sie doch dessen Passion für Musik und Drama. Nur dass sie zu wenig isst, macht Sorgen. Als eine Schwester geboren wird, versucht Ellen mit intensivem Schlemmen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mit zunehmender Leibesfülle wachsen ihr ausgeprägter Sinn für Humor, ihre Musikleidenschaft und ein unerschütterliches Selbstbewusstsein, das allen Spöttern trotzt. Ellen weiß: Sie wird ein Star! Einige Jahre später begeistert „Cass Elliot“ als Mitglied der Band „The Mamas and the Papas“ Millionen …
Die für ihre Frauenbiografien mit dem Eisner-Award ausgezeichnete Pénélope Bagieu widmet vorliegende Graphic Novel einer faszinierenden Persönlichkeit der 1960er Jahre und verfolgt deren Lebensweg bis zum titelgebenden Erfolgssong. Gleichzeitig erzählt sie die zeitlose Geschichte eines aus einfachen Verhältnissen stammenden Mädchens, das allen Widerständen zum Trotz hartnäckig ihren Weg geht. Damit wird „Mama Cass“ zu einer Identifikationsfigur, die keinem Medien-Schönheitsideal entspricht und die für ihren Lebenstraum kämpfen muss.
Die einzelnen Kapitel werden aus der Perspektive von Weggefährten erzählt und beleuchten chronologisch Stationen in Ellens Leben. Dabei entsteht das Bild einer überaus energetischen Persönlichkeit, welche durch Bagieus dynamische Bleistift-Zeichnungen mittels ausgefeilter Hell-Dunkel-Akzente geradezu spürbar wird. Laut Selbstaussage nähert sich die Cartoonistin ihren Figuren über unzählige Skizzen, bis sie diese „liebt“. So zeigen nuancenreiche Porträt-Bildfolgen und Bilder, die vor allem auf Ellens Körpersprache abzielen, deren einnehmendes Wesen und ihren Humor, aber auch anstrengende Züge und Extravaganz. Dementsprechend beendet Bagieu die Biografie mit einer dramatischen Autofahrt auf kurvenreicher Klippenstraße. Das Ende der Musikband und Ellens Tod mit 32 Jahren werden nicht erzählt – schwingen aber mit …
Eng mit der Biographie verwoben, zeichnet Bagieu ein Zeitbild der 1960er Jahre, gut geeignet für den Geschichtsunterricht: Beatles-Aufstieg, Vietnamkrieg, Hippie-Bewegung, alltäglicher Rassismus, Kennedy-Attentat … Unabhängig davon sind viele zeitlose Themen angesprochen: Mobbing, Ausgrenzung, unerfüllte Liebe, Freundschaft, Verzweiflung, Drogen, Selbstverwirklichung bzw. -überschätzung, Sehnsucht nach Ruhm …
Als Einstieg könnten Fotos aus der erzählten Zeit dienen, ergänzt durch damals berühmte Pop-Gruppen und Sängerinnen, darunter Mama Cass. Nach Klärung von Zeit, Mode und Schönheitsidealen würde der Song „Make Your Own Kind of Music“ eingespielt. Welche Sängerin auf den Fotos könnte es sein? YouTube gibt Antwort …
(Der Rote Elefant 39, 2021)