Zurecht wurde der vielfach preisgekrönte Künstler mit dieser Bild-Biographie erneut für den DJLP nominiert: In kunstvoll-symbolhaften Bildern erzählt Sís von einem Piloten, der auf mehreren Erdteilen lebte, Flugmaschinen konstruierte, Luftpoststationen aufbaute, im Zweiten Weltkrieg Luftwaffenpilot war und seine Liebe zum Fliegen in unvergesslichen Büchern dokumentierte. Die Vielseitigkeit der Person Antoine de Saint-Exupérys findet ihre Entsprechung in der Herangehensweise des Künstlers: Sís kombinierte verschiedene Bild-Stile, Aquarelle und Tuschfederzeichnungen, integrierte darin Eckdaten und Informationen derart kunstvoll, dass ein graphisches Gesamtbild entstand. Selbst der Zeilenschwung von zart-kursiv gestalteten Anekdoten folgt zuweilen den Linien der Illustrationen. Eine Rahmenhandlung in Gestalt kurzer Fließtexte findet sich an den unteren Seitenenden. Kuriose Priorität erhalten im Text technische Details rund ums Fliegen. Ausgeklammert bleiben Saint-Exupérys turbulentes Liebesleben und wichtige Freundschaften (u. a. Marcel Duchamp, André Gide, Greta Garbo, Max Ernst).
Sperrig wirken zuweilen deutsche Übersetzung und Lektorat. Doch das ist unerheblich angesichts der traumhaft-metaphorischen Bilderwelten, in die Sís große und kleine Leser/Betrachter entführt. Schon die Hintergründe in sandgelb, himmel-, nacht- oder meerblau wirken wie eine Hommage auf den „kleinen Prinzen“, „Nachtflug“ oder „Wind, Sand und Sterne”. Mal blickt der Betrachter auf eine Landkarte mit Flugrouten, welche in Form eines Flugzeugs den nächtlichen Sternenhimmel überfliegt. Mal entdeckt er ein winziges Flugzeug, das über einem kopfförmigen Krater wie über eine Gedankenwelt gleitet, drum herum geheimnisvolle Gesichter im Wüstengestein, kubistische Formen und surrealistisch anmutende Figuren im Sand.
Gegen diese assoziationsreichen Bilder setzt Sís sehr konkret den Nazieinmarsch in Frankreich: Zielstrebig rollen schwarze Panzer durch roten Grund, der das Bild blutartig tränkt und sich gen Himmel ausbreitet. Graue und schwarze Kleckse symbolisieren ein Bombardement. Auch dort ein einsames Flugzeug …
Sís‘ Blick auf Saint-Exupéry ist gleichzeitig intim und respektvoll distanziert. Nie füllt ein Porträt eine ganze Seite. Stattdessen taucht der Pilot als comicartiges Detail auf, als Silhouette, Schattenriss, Punktbild oder schraffierte Figur – ihr Schatten der des kleinen Prinzen. Sís‘ Bilder schenken dem Betrachter außergewöhnliche Einsichten in Leben und Wirken des Visionärs Saint-Exupéry, in dessen Welt Traum und Wirklichkeit, Erde und Sterne eng miteinander verwoben sind.
(Der Rote Elefant 33, 2015)