Omaha, Nebraska, Schuljahr 1986/87. Die erzählte Zeit – ohne schnelle Kommunikationsmittel – steht für das langsame Wachsen einer Liebesbeziehung. Überaus langsam nähern sich „Vogelscheuche“ Eleanor und „kleiner blöder Asiate“ Park (O-Ton Mitschüler) einander an. Nur neben Park ist im Schulbus ein Platz frei und so bietet der schmächtige, introvertierte, ständig Comics lesende Koreaner dem dicken Mädchen im Holzfällerhemd diesen Platz an. Erst Wochen später merkt Park, dass Eleanor heimlich mitliest. Weitere Zeit vergeht, bis Park ihr wortlos Comics und Tapes leiht und sie sich wortkarg verständigen. Irgendwann berühren sich beider Hände, irgendwann lädt Park Eleanor zu sich ein und irgendwann fühlt sich diese dort wohl. Jeder sucht zunehmend die Nähe des anderen, aber innerste Ängste und Gedanken offenbaren sie kaum. Am Ende des Schuljahres flieht Eleanor von zu Hause. Park fährt sie zu Verwandten. Ein weiteres Jahr vergeht, bis Eleanor auf Parks ständige Briefe mit drei Worten auf einer Postkarte antwortet. Deren Inhalt erfährt der Leser nicht.
Das offene Ende dieser spannungsreichen Liebe können junge Leser nur verstehen, wenn sie aufmerksam den wechselnden Ich-Erzählungen beider Außenseiter folgen und damit der Psychodynamik einer komplexen Beziehung. Aus den stark differierenden Milieus lässt sich ahnen, warum die Protagonisten so lange brauchen, um einander zu vertrauen, und warum Eleanor auf Parks Briefe nicht antwortet. Eleanor teilt mit vier Geschwistern ein Zimmer, duscht in einem Bad ohne Tür und meidet jeden Kontakt mit dem gewalttätigen Stiefvater. Eleanor wird gemobbt, findet ständig Obszönitäten auf ihren Schulbüchern, kennt aber nicht deren Verursacher. Park dagegen lebt in einer intakten Familie, opponiert aber gegen das Männerbild des amerikanischen Vaters, der im Koreakrieg kämpfte. Er belächelt die Arbeit der koreanischen Mutter, einer Avon-Beraterin, schminkt sich aber selbst. Neben ernsten und emotional berührenden Szenen erlebt der Leser auch Komisches, etwa wenn Parks Mutter Eleanor „verschönern“ oder der Vater Park die Auto-Gangschaltung nahebringen will. Neben den Psychogrammen zweier Jugendlicher vermittelt „Eleanor & Park“ die Atmosphäre einer amerikanischen Kleinstadt Mitte der 80er Jahre und das Bild einer anderen Jugendkultur, auch gespiegelt in den über 200 erwähnten zeitgenössischen Popgruppen, Filmstars oder Comichelden, die z. T. heute noch bekannt sind.
Als wesentlichste Botschaft erscheint entgegen jugendlichen Erwartungen, wo alles sofort passieren muss, dass die wirklich wichtigen Dinge Zeit brauchen.
(Der Rote Elefant 33, 2015)