Jedes Neugeborene, Tier oder Mensch, ist immer wieder ein Wunder. Zu dieser Empfindung fügt sich Jandls Eingangsgedicht „Sieben Weltwunder“: und das wievielte bin ich? und das wievielte bist du? und das wievielte ist die kuh? und das wievielte ist der uhu? und das wievielte ist das Känguru? und das wievielte ist der marabu? und wie viele bleiben übrig wenn es den marabu und das Känguru und den uhu und die kuh und dich und mich einmal nicht mehr gibt?
Kreatürliche und vermenschlichte Tiere sind in diesem Buch in sieben (Weltwunder-) Kapiteln versammelt. Ordnung der Arten und lyrische Textsorten vermitteln sich sofort: I. Weltwunder „Auf einem Baum ein Kuckuck saß – Vögel in der freien Natur“ oder VII. Weltwunder „Es rauscht in den Schachtelhalmen – Tiere, die es nicht mehr gibt und die es noch nie gab …“
Die knapp 250 Gedichte von rund 60 Dichtern (u.a. Lessing, Busch, Brecht, Erhardt, Guggenmos, Hacks, Johansen, Kaléko, Vahle) oder mündlich überliefert umfassen die ganze Breite lyrischer Ausdrucksformen. Sie sind von ausgesuchter Qualität und intelligent kombiniert: einander ergänzend, kontrastierend, humorvoll, elegisch, ironisch, symbolisch, nonsensehaft … Der Text-Vielfalt entsprechen die Zeichnungen von Reinhard Michl. Der Illustrator beherrscht die „natürliche“ Tiergestalt in naturalistischer Manier ebenso wie die leichte Andeutung menschlicher Züge in einem Tierblick bis hin zu satirisch-vermenschlichten Tiergestalten. Die Buchgestaltung wirkt konventionell-gediegen. Der sandfarbene Einband mit gelbem Leinenrücken und das eierschalenfarbene Papier geben den gedeckt farbigen Illustrationen eine warme Tiefe.
„Wer vieles bringt, wird manchen etwas bringen“, diese Wahrheit Goethes, der ebenfalls vertreten ist, könnte ein Lyrikprojekt überschreiben. Kindern wird eine Auswahl von Klassik bis Moderne präsentiert: frei vorgetragen, vorgelesen und/oder von einer CD. Die Kinder geben den Gedichten Punkte, so ergibt sich wiederum eine Auswahl. Die Gedichte mit den meisten Punkten werden in einer kleinen Sammlung vereinigt. Jedes Kind erhält davon ein Exemplar. Ein Lieblingsgedicht wird auswendig gelernt. In Kleingruppen wird am Vortrag gearbeitet und das sich so ergebende Programm öffentlich vor Erwachsenen oder anderen Kindern dargeboten.
(Der Rote Elefant 24, 2006)