Ira, eigentlich Miracle, und Zac bzw. Zackery sind Geschwister und zu Beginn der Geschichte 9 und 7 Jahre alt. Geschwister ohne Eltern. Ira fühlt sich für den kleinen Bruder verantwortlich und muss sich deshalb unter Kontrolle haben. „Normalerweise zeige ich meine Gefühle nicht, schließlich bin ich ja die Ältere.“
Soweit sich die Kinder erinnern, hatten sie nie ein Zuhause. Weitergereicht von Pflegeeltern zu Pflegeeltern geschah immer etwas, so dass sie nicht bleiben konnten. Jetzt sind sie in dem kleinen privaten Kinderheim Skilly House angekommen, das in einem Londoner Vorort liegt. Vermutlich auch nur eine Übergangsstation, wo alle Kinder darauf warten, adoptiert zu werden, in eine Pflegefamilie zu kommen oder zurück zu den Eltern zu dürfen. Ira und Zac bleiben fast drei Jahre, bis eine pensionierte Lehrerin sie in ihr Herz schließt und zu sich nach Appleton House holt.
Mit der Ich-Erzählerin Ira fällt es leicht nachzufühlen, wie wichtig oft kleine Ereignisse werden können. Ob Gutes oder Schlechtes, für die kindliche Psyche hat alles Erlebte Bedeutung, kann Angst auslösen oder Hoffnung aufkeimen lassen. Tatsächlich geschieht nicht viel. Außer, dass Ira einmal unter einer Diele einen Brief findet, der dort 40 Jahre lag, und sich daran eine überraschende Wendung knüpft, die mit der Leiterin von Skilly House zu tun hat. Und die große Demonstration gegen die Kopfsteuer, welche die Regierung einführen will. (Tatsächlich wird die Thatcher-Regierung darüber stürzen.) Zac gerät auf der Suche nach seiner Mutter in diese Demonstration. Als die Menge wegen der anrückenden Polizei in Panik gerät, kommt Zacs kleiner Hund ums Leben, was Zac in tiefe Verzweiflung stürzt. Und da sind im November 1989 die Fernsehbilder von der Berliner Mauer, die es plötzlich nicht mehr gibt, und die Menschen, die sich in die Arme fallen. Ira bezieht die Bilder sofort auf sich: Menschen, die getrennt waren, finden wieder zusammen.
Eine Geschichte ohne aufgesetzte Spannungsmomente, dafür mit Menschen, die keine Klischees sind, sondern viele Seiten und eine sehr wechselvolle Geschichte haben. Wie das Haus selbst. Als es ein Vierteljahrhundert später abgerissen werden soll, so erzählt die Rahmengeschichte, kommen viele noch einmal zurück, Kinder, die darin wohnten und für die das Haus eine Stück ihres Lebens geworden war. Die erwachsene Ira erinnert sich, dass sie als Kind anfing ein Tagebuch zu schreiben, weil sie sich „unsichtbar“ fühlte. Vielleicht eine Anregung für junge Leser, um sich später erinnern zu können, wer sie als Kind gewesen sind.
(Der Rote Elefant 35, 2017)