„Das Leben spielt hier“ ist das Jugendbuch-Debüt der Autorin und Journalistin Sandra Hoffmann, in das sie ihre Erfahrungen aus der Jugendarbeit und als spät eingestiegene Surferin einbringt. Der erste Teil spielt an einem Abend, an dem die Beziehung der jungen Studierenden Ona und Pe erstmals ins Wanken gerät. Als Pe erzählt, wie sein Bruder bei einem unter Drogeneinfluss entstandenen Autounfall starb und Pe selber schwer verletzt wurde, reagiert Ona mit Unverständnis darauf, dass Pe seinen Bruder nicht kritischer sieht. Daraufhin zieht sich Pe zu dem Buchhändler Kriedel zurück, der sich wie Pe für den Surfsport begeistert. Ona ist mutig genug, ihm dorthin zu folgen. Sie verbringen den Abend zu dritt, schauen Surfen im Fernsehen und reden, auch über Kriedels Freundin Mathilda, die ihn verlassen hat und nach Spanien gezogen ist. „Vielleicht muss ich dahin“, sagt Kriedel schließlich. Hier setzt der zweite Teil ein, eine Art „Roadstory“. Ona, Pe und Kriedel brechen in einem alten Käfer gen spanische Atlantikküste auf.
Die klare Stärke des Buches liegt in der sensiblen und komplexen Darstellung der Beziehungsebenen zwischen den Figuren, die Erfahrungen über Versehrtheit, Verlust und Schuld teilen. Diese Gemeinsamkeit ließ Ona auf Pe aufmerksam werden: „Sie konnte seine Narbe sehen am Schädel. Und wahrscheinlich war diese es, die den zarten feinen Pe für Ona interessant machte, vielleicht sandte diese sichelförmige Naht an seiner Schädelseite so etwas wie Verbindungswellen über den heißen Sand, die so stark waren, dass Ona blieb, bis Pe nach mehr als zwei Stunden wieder aus dem Meer kam.“ Die wechselnde Erzählstimme begleitet Ona und Pe auf einem Weg, der über Sich-Kennenlernen, Annähern, Aushalten, Verstehen, Herantasten und Zusammenfügen führt. Dabei changiert sie zwischen Perspektive und Sprache von Ona und Pe, folgt ihren Gesprächen und bleibt sehr nahe bei ihnen. Die ungewöhnlich kurzen Namen korrespondieren mit einer zum Teil verkürzten Sprechweise, die jedoch das Unsagbare sinnfällig macht. Andererseits gibt es die Beziehung zu Kriedel, die trotz des Generationsunterschieds gleichberechtigt und ernsthaft ist.
Grundiert wird der Text durch das Motiv des Surfens, welches in Beziehung zur Naturgewalt Wasser Gefahr, Unwägbarkeit, aber auch Beherrschung symbolisiert. In diesem Kontext verhilft einerseits Kriedel Ona und Pe zu mehr Besonnenheit und Verständnis füreinander und wird andererseits durch sie ermutigt, Risiken einzugehen. Dazu gehört nicht nur, Mathilda zu suchen, sondern auch, sich endlich selbst auf ein Surfbrett zu stellen.
(Der Rote Elefant 38, 2020)