Tona und Pauli sind beste Freunde. Sie teilen gern, aber noch lieber tauschen sie – immer ganz fair: die wertvollste Karte gegen die schönste Karte, die supercoolste Hose gegen die obercoolste Hose, den größten gegen den kleinsten Bruder, das älteste gegen das jüngste Kuscheltier … Plötzlich jedoch haben beide vergessen, was sie als letztes getauscht haben … Trotz langen Suchens ist es nicht zu finden: nicht unterm Bett, nicht in Taschen und Rucksäcken, nicht in den Schubladen. Zu Hilfe kommt ein Bild mit einem Esel. Dieser schreit so laut und lange IAIAIA-IAIA bis die Buchstaben aus dem Rahmen fallen. Da fällt es auch den Kindern wieder ein – ein I und ein A werden zurückgetauscht: Tona und Pauli verabschieden sich als Paula und Toni: „Bis morgen“.
Eine unerwartete Wendung, welche die Betrachter*innen sofort animiert, zurückzublättern und nachzuprüfen, wer im Laufe der ganzen Tauscherei nun eigentlich das Mädchen und wer der Junge war. Fehlanzeige! Der besondere Kniff des Buches besteht gerade in dessen Genderoffenheit. Selbst nach dem Buchstaben-Tausch gibt es keine Sicherheit. Eher lenken (Aquarell-)Illustrationen und Text bewusst von Geschlechterzuschreibungen ab. Sandra Ludwigs knapper Text ist durch die ständig wiederholte Frage „Wollen wir tauschen?“ bestimmt, wobei die Kinder abwechselnd fragen. Auch die Verwendung von Superlativen ist geschlechtsneutral, z. B. wenn die Kinder einen Tausch als „längsten“ oder „komischsten“ bewerten. Dorothea Tusts Bildgestaltung folgt dem klaren Aufbau der Geschichte und dem Prinzips des Wechsels, wobei weder an Frisur noch an Kleidung das Geschlecht zu erkennen ist. Die linke Buchseite zeigt, was getauscht wird, die rechte Buchseite die Tausch-Folgen.
Die jeweiligen Reaktionen der Kinder auf misslungene oder enttäuschend ausgegangene Tauschaktionen setzt Tust den verbalen Superlativen entsprechend mimisch-körperlich ins Bild, z. B. einen verbissen-wütenden Mund, ein grünes Ekel-Gesicht oder aufgerissene Angst-Augen, weil das eigene Kuscheltier fehlt. Zum einen zeigt das Buch auf charmante Weise, dass jeder Tausch Folgen hat und Freude oder Kummer auslöst. Man bekommt Dinge, die man mag und eben gerade nicht. Und manches Weggetauschte wird hinterher schmerzlich vermisst. Zum anderen steht aber hinter aller Tauschlust auch die Bereitschaft zum Ausprobieren, die Neugierde auf Veränderung. Genug Stoff, um mit älteren Kindergartenkindern anhand jeder Seite das Pro und Contra des beabsichtigten Tausches zu diskutieren. Da das Buch mit einem folgenreichen Buchstaben-Tausch endet, der viel mehr ist als nur das, könnten Mädchen und Jungen die Buchstaben ihrer Namen so vertauschen, dass sich der Tona-Pauli-Effekt ergibt. Was würde solch „Geschlechter“-Tausch“ bedeuten?
(Der Rote Elefant 37, 2019)