Am Anfang ein Aufprall. Eine teure Kaffeemaschine, aus dem Fenster eines Lehrerzimmers geworfen. Kim behauptet, damit die Urknalltheorie erklären zu wollen. Die Strategie: Immer, wenn der 15-Jährigen jemand zu nahekommt, zerstört sie etwas der Person Wertvolles. Die Lehrerin – großzügige Spenderin der Espressomaschine – hat genug. Wieder mal ist eine rote Linie überschritten; der Rauswurf folgt. Zudem ist keine Schule der Stadt mehr bereit, die gewalttätige Jugendliche aufzunehmen. Als letzter Ausweg fällt der alleinerziehenden Mutter ein Ex-Freund auf dem Land ein. Dass sie für ein Jahr allein in ein Dorf geschickt wird, beantwortet Kim mit einer weiteren Attacke, diesmal gegen die Mutter. Eine Grenze ist erreicht. „Ich werde das hier nicht vermasseln“, steht auf Kims Unterarm geschrieben, als sie am neuen Ort ankommt. Tatsächlich wird sie sich große Mühe geben und bemerkt bald, dass die Dorfgemeinschaft unerwartet viel Individualität zulässt. So bei dem gleichaltrigen Janne, der unter anderem durch seinen roten Haarreifen auffällt. Die entstehende Nähe zu ihm verunsichert und beflügelt Kim gleichermaßen. Alex(andra Sophie), von Janne seit Kindertagen bewundert, wirkt sogar noch anziehender. Beim traditionellen Kartoffelfest drohen die neuen Freundschaften wieder zu zerbrechen …
Sarah Jäger rückt die heranwachsende Kim nah an Jugendliche ab 14 heran. Zugleich lässt die Ich-Erzählerin viele Lücken in ihren oftmals lakonischen Selbsterklärungen, was eigenen Gedanken Raum aus ‚sicherem‘ Abstand gibt. Die körperliche Gewalt des längst abwesenden Vaters gegen die ungeborene Kim und ihre Mutter als mögliche Ursache der Aggressionsstörung, scheint nur Teil der Wahrheit zu sein. Sätze wie: „Weil die Mutter nun mal meine Mutter ist. Und weil ich sie liebe, so gut ich das eben kann“, berühren unmittelbar. Darüber hinaus schaffen Kims entwaffnend kluge und einfühlsame Beobachtungen ihrer Umwelt ein komplexes Bild des tief verletzten und liebenswürdigen Teenagers.
Kims Eingewöhnung in das Dorfleben gestaltet Jäger mit zunehmend humorvoll-pointiert geschriebenen Dialogen zwischen den glaubhaften und originellen Charakteren. So können Identifikation mit den handelnden Figuren und Lesevergnügen gleichermaßen wachsen.
Für einen Bucheinstieg wäre das Cover ein erster Anlass, um ins Gespräch zu kommen: Was macht das Schnabeltier, ein eierlegendes Säugetier mit Giftstacheln, zum Schnabeltier Deluxe? Und was verrät diese Bezeichnung über die Hauptfigur?