In diesem Sommer ist alles anders als geplant. Die 15-jährige Nono wird mit einer Tatsache konfrontiert, die meistens Jüngeren vorbehalten ist: Ihre Eltern verkünden ihr, dass sie große Schwester wird. Deswegen fällt auch die gemeinsame Reise aus. Wie sie das finden soll, weiß Nono nicht so recht. Auf jeden Fall gerät das in der Familie eh fragile Gleichgewicht aus dem Lot. Aber irgendwer muss dem Neuankömmling zeigen, wo es langgeht. Aus Nonos Sicht sind dafür weder der heißgeliebte, häufig abwesende Vater noch die ordnungsliebend-überdrehte Mutter in der Lage. Nonos Gefühle schwanken zwischen dem Bedürfnis nach Abgrenzung und dem Wunsch nach Zusammengehörigkeit. Zum Glück hat sie ein Notizbuch, in dem sie das ganze Chaos festhalten und sich überdies mit der Frage auseinandersetzen kann, wer sie ist und wohin sie gehört. Zur Klärung letzterer Fragen unternimmt Nono einige Selbstversuche. Dazu gehören der Urlaub in der eigenen Stadt, in dessen Verlauf sie sehr unterschiedliche Bekanntschaften macht, und ein wissenschaftliches Kleidungsexperiment, mit dem sie ihre Wirkung auf andere testet. Am Ende ist Nono zwar immer noch auf der Suche nach ihrem „ich“ (#wasimmerdasauchheißenmag), aber jemand durchschaut ihr Verkleidungsspiel und könnte sie unterstützen. Überdies benötigt das neue Geschwisterkind Nonos Hilfe schneller als angenommen.
Die österreichische Autorin Sarah Michaela Orlovský kombiniert für ihren Adoleszenzroman verschiedene Textsorten: Aufzeichnungen von Erlebnissen in Tagebuchform samt erinnerter Dialoge, E-Mails, Listen, Gedichte, Recherchen und Faktensammlungen. Über diesen Mix aus Persönlichem und Sachlichem charakterisiert sie ihre Protagonistin als nicht nur egozentrische, sondern auch suchend-wissbegierige Jugendliche: schlagfertig, etwas vorlaut, aufgedreht, selbstironisch, reflektiert und (sprach)witzig: „In Wirklichkeit sind Papas Geschenke gar keine Mitbringsel. Es sind Dableibsel“. Die Vielfalt der Textsorten wird durch aussagestarke Illustrationen – eine Seltenheit im Jugendbuch – noch bereichert. Die Erlbruch-Schülerin Ulrike Möltgen umkreist in ihren bizarren schwarz-grauen Tuschezeichnungen u. a. Nonos Identitätssuche, indem sie die Figur mal von hinten, mal von vorn, mal seitlich ins Bild setzt, so dass bereits beim Durchblättern Neugier auf die Protagonistin entsteht. Auf Nonos Problem anspielend, ob es eine eindeutige Antwort auf die Frage nach der eigenen Identität geben könne, wäre für eine kreative Annäherung an den Roman eine Truhe mit Kleidungsstücken denkbar. Welche würden Jugendliche davon für sich auswählen? Was sagt Kleidung über eine Person aus? Welche Selbst- und welche Fremdbilder entstehen durch wechselnde Kleidung?
(Der Rote Elefant 36, 2018)