Seit 14 Jahren lebt der 16-jährige Sid(dharta) in einer Pflegfamilie auf einer kanadischen Insel. Die Pflegeeltern Megan und Caleb fischten ihn damals aus dem Wasser, abgestürzt vom desolaten Kahn seiner Hippie-Mutter. Sids Erinnerungen daran sind vage, aber Kiffer meidet er. Da ständig Pflegekinder bei Megan und Caleb wohnen, sind wechselnde Familienkonstellationen für Sid normal. Stets findet er Zugang zu den häufig traumatisierten „Neuen“. Früher sei er lebhaft, ja redselig gewesen, sagt Megan. Heute redet Sid nicht gern, dafür ist Freundin Chloe zuständig, er zeichnet lieber. Über das Zeichnen nimmt Sid auch Kontakt zu Fariza auf, die nicht spricht. Mittels eines Comicangebots, worin Fariza und ihr Flamingo Fred die Helden sind, gibt die Achtjährige Details aus ihrem Leben preis. Nun soll Sid Fariza verlassen, weil Phil, ein Freund der Mutter, ihn im Auftrag einer ihm unbekannten Großmutter bittet, bei der Suche nach dem verschwundenen 13-jährigen Bruder (Ga)Wain zu helfen. Auch die drogenabhängige Mutter sei weg. Von Phil erfährt Sid erstmalig vom künstlerischen Talent der Mutter. Trotzig-zögerlich stimmt Sid der Bitte zu. Um Wain zu finden, muss er dessen „Orte“ und Bekannte aufsuchen und Kontakte zu Sozialarbeitern herstellen. Als Wain wieder auftaucht, entwickelt sich zwischen den Brüdern eine Art Hassliebe, aber Sid bewegt Wain dazu, ihn samt Großmutter nach Hause zu begleiten. Am Ende steht ein Besuch der Mutter im Krankenhaus an, was Sid nur mit Chloe schafft. Ob Sid eine künftige Beziehung zur Mutter will, bleibt offen. Wain jedoch wird bis Ferienende in Sids Familie bleiben: „Bist du so weit, Schisser?“, sagt Wain und Sid antwortet „Weiter denn je“.
Am Beispiel der ungleichen Brüder, aber auch der Pflegekinder, zeigen sich z. T. irreparable Folgen schuldlos erfahrener seelischer Verletzungen. Sid kann sich der Auseinandersetzung mit seiner Ursprungsfamilie nur stellen, da er früh Sicherheit und einen liebevoll-geduldigen Umgang in einer Pflegefamilie erfuhr, für Stabilisierung und Heilung unabdingbare Faktoren.
Die dialogreiche, spannend zu lesende Geschichte mutet insgesamt etwas idealtypisch an, aber der jugendliche Leser lernt viele interessante Figuren kennen, „kaputte“ und lebenstüchtige, darunter skurrile Charaktere, wie z. B. Sids Großmutter. Als Witwe musste diese ihr Leben neu ordnen und verdient nun als Werbeikone ihr Geld. Viel Geld haben alle nicht. Wichtiger sind zwischenmenschliche Beziehungen und soziale Verantwortung. Dank Sid spricht Fariza wieder. „Streiten ist böse“, lauten ihre ersten drei kleinen Wörter.
(Der Rote Elefant 33, 2015)