Die Legende kündet von einem König des Waldes, einem mythischen Mischwesen, das nur alle 100 Jahre erscheint. Er bringt den Frühling, aber auch Recht, Gesetz und Ordnung, um die Tiere ein besseres Leben zu lehren. Auch Herr Eichhorn glaubt an diese Legende. Als der König tatsächlich erscheint, folgen Herr Eichhorn und die anderen Tiere seinen Ratschlägen und Handlungen bedingungslos. Was dabei herauskommt, ist ein unbewohnbarer Wald und eine von Tieren überfüllte Insel.
Erneut nutzt Meschenmoser naturalistisch gezeichnete Tiere, um gleichnishaft menschliche Schwächen (und Stärken – letztlich erkennt Herr Eichhorn, dass er auch ohne den König ein schönes Leben hat) aufzuzeigen. Aber sein neuer Eichhorn-Streich ist weitaus politischer als Herr Eichhorn und der Bewohner vom blauen Planeten. Ging es dort um die Furcht vor dem Fremden, thematisiert er nun die blinde Gefolgschaft einer ganzen (Tier)Gesellschaft, die dadurch fast ihren Lebensraum und damit sich selbst zerstört. Das klingt dramatisch, kommt aber auf Meschenmosers gewohnt feinsinnig-komische Art daher, wobei sich das Buch gestalterisch von seinen Vorgängern unterscheidet. Meschenmosers Buntstiftzeichnungen wirken freier, lockerer, fast skizzenhaft und bilden damit einen starken Kontrast zu den drei Ölgemälden, mit denen die König-Legende erzählt wird.
Hier zeigt Meschenmoser sein Können als Maler und zitiert überzeugend Gemälde von Caspar David Friedrich. Aber nicht nur Meschenmosers Bewunderung für den „Meister“ war dafür ausschlaggebend, sondern auch inhaltliche Bezüge zur Romantik. Diese ist u. a. geprägt von der Sehnsucht nach etwas Größerem, sei es Gott, Liebe oder Vaterland. Und so sehnen sich auch die Tiere nach einem vermeintlich besseren Leben, ohne eine konkrete Vorstellung davon zu besitzen.
Wie häufig bei der Rezeption von Eichhorn-Büchern (inzwischen 5) sind Leser bzw. Betrachter klüger als die Protagonisten und werden sich darüber amüsieren, dass die Tiere dem falschen König folgen, der, nebenbei gesagt, keinerlei Hintergedanken verfolgt – im Gegensatz zu aktuell agierenden Demagogen. Diese Botschaft verstehen bereits jüngere Kinder, denen das künstlerisch ausgefeilte Buch mit seinen anthropomorphisierten Tierhelden grundsätzlich Vergnügen bereiten wird. Für Ältere bietet es eine gute Möglichkeit, sich der „Romantik“ zu nähern und dabei auch aktuell politische Fragen anzusprechen. Gerade in Bezug auf blinden Gehorsam, sei er religiöser oder staatlicher Art, trifft Meschenmosers Buch den Nerv der Zeit. Als Künstler bezieht er damit klar Stellung.
(Der Rote Elefant 34, 2016)