Juss lebt mit seinen Eltern Walter und Zaza in einem der fünf kleinen Häuser am Fluss, die alle, eingeklemmt zwischen Deichstraße und Radweg, von seiner Großfamilie bewohnt werden. Die Sommerferien verlocken ihn und seine gleichaltrige Kusine Amber zu Abenteuern in der Umgebung. So kommen die beiden durch ihren kauzigen Opa Gurrgurr, der mit Hühnern und Taube zusammenlebt, einem Familiengeheimnis auf die Spur. Fahrradtouren führen sie zu den Nachbarn an neue Orte – bis eines Nachts ein Unglück geschieht: Ein Lastwagen rammt das Haus und Juss wird verschüttet. Die dadurch ausgelösten, zunächst traumatischen Ereignisse erfordern familiären Zusammenhalt und die Bereitschaft zu verzeihen. So findet sich letztlich für alle Familienmitglieder eine gute Lösung und Juss bekommt ein neues Zuhause.
Selma Noort wählt eine rückblickende, überschauende Erzählperspektive, die auf die Grundschulkinder Juss und Amber fokussiert. In kurzen Kapiteln verfasst, erinnern die Episoden an Kirsten Boies „Die Kinder aus dem Möwenweg“ oder Astrid Lindgrens „Kinder aus Bullerbü“. Das für die Kinder idyllische Leben und ihr trubeliges Umfeld beschreibt Noort glaubhaft und prägnant. Gleichzeitig wird der Alltag einer einkommensschwachen Familie, die Flucht der Mutter aus Syrien, aber auch die Bedrohung des eigenen Wohnumfelds durch zunehmenden Autoverkehr geschickt in die Haupthandlung eingeflochten. Besonders amüsant ist die humorvolle Schilderung der Beziehung von Amber zu ihrer zickigen großen Schwester, die von pubertärer Distanz zur Familie und geschwisterlicher Hilfsbereitschaft geprägt ist.
Die ovalen, von Felicitas Horstschäfer gestalteten Flusslandschafts-Vignetten, mit denen die kurzen Kapitelüberschriften („Gefährlich“, „Durst“ oder „Beleidigt“) hinterlegt sind, geben Hinweise auf den jeweiligen Handlungsort. Spannung erhält der Kinderoman durch den explosionsartigen Erzähleinstieg mit dem Einsturz des Hauses, einer Situation, die geprägt ist von Angst und Panik und dem Wunsch zu überleben. Durch diesen teaserartigen Einstieg, der erst im letzten Drittel des Buches fortgeführt wird, liegt über aller Harmonie der ersten Kapitel ein Flirren von Dramatik und Bedrohung. Das zentrale Anliegen formuliert eine Strophe aus dem Gedicht, das dem Text vorangestellt ist: „Wer beschützt / dein Zuhause, in weiter / Ferne oder hier / am Fluss?“ Mit dieser Frage setzt sich das literarische Personal generationsübergreifend immer wieder auseinander.
Als Einstieg in das Buch könnten Schilder mit „Einsturzgefahr“, „Unbewohnbar“ und „Betreten verboten“ zu einer Diskussion über (un)sichere Gebäude und ein geschütztes Zuhause anregen.